Rezension: Gruselkabinett - 187 - Die Weiden

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MonsterAsyl
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Rezension: Gruselkabinett - 187 - Die Weiden

Beitrag von MonsterAsyl »

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Gruselkabinett - 187 - Die Weiden

Zum Inhalt:
Im Jahre 1907 machen die Freunde Jeremy und Björn eine Kanufahrt auf einem abgelegenen Arm der Donau. Zunächst sind die beiden fasziniert von der urwüchsigen Natur, aber nach und nach beschleicht sie ein Gefühl der Beklommenheit. Als dann auch noch ihr Kanu manövrierunfähig gemacht wird, sind sie sicher, nicht mehr allein zu sein...

Zur Produktion:
Mit "The Willows", so der englischsprachige Originaltitel der hier zu Grunde liegenden Geschichte, vertont Titania Medien zum zweiten Mal eine Erzählung des englischen Schriftstellers Algernon Henry Blackwood (14.03.1869 - 10.12.1951). Ursprünglich war die Novelle Bestandteil der Sammlung "The Listener and other Stories", welche 1907 erstmals veröffentlicht wurde, bevor sie im Jahr 1925 als Titelgeschichte in "The Willows and Other Queer Tales" fungierte. Übrigens bezeichnete sie der weltberühmte Autor H.P.Lovecraft als seine absolute Lieblingsgeschichte. Hierzulande mussten die Leser einmal mehr Jahrzehnte warten, bevor "Die Weiden" in dem Sammelband "Das leere Haus" (herausgegeben vom Inselverlag 1969) endlich auch in deutscher Sprache verfügbar war.
Ich gebe zu, daß ich auf diese Adaption überaus gespannt war, da ich mir eine akustische Version von ca. 61 Minuten einfach nicht vorstellen konnte. Wer die Erzählung gelesen hat, weiß, daß sie recht umfangreich ist und ihr Inhalt hauptsächlich aus Beschreibungen der Landschaft und den Gefühlen der Protagonisten besteht. Hätte Hörspielskriptautor Marc Gruppe die literarische Vorlage 1:1 umgesetzt, wäre das Hörspiel nicht nur wesentlich länger, sondern auch ziemlich langweilig geworden. Geschickt hat er den Rotstift angesetzt und einen erheblichen Teil dieser Schilderungen gekürzt bzw. ganz weggelassen. Darüber hinaus hat Gruppe etliche der ursprünglichen Monologe in Dialoge umgewandelt. Beispielsweise unterhalten sich die beiden Freunde über ihre Mahlzeiten, statt daß diese nur aufgezählt werden, und bei den Landschaftsbeschreibungen weisen sie sich gegenseitig auf Besonderheiten hin.
Interessanterweise enthält die englischsprachige Novelle etliche deutsche Wörter wie "Sümpfe" oder "fliegende Brücke" die hier natürlich nicht mehr so herausstechen. Die zeitliche Verortung der Handlung in das Jahr 1907 stammt vom Hörspielskriptautor und bezieht sich, wie so oft, auf das Erscheinungsjahr der Geschichte. Ich möchte noch einmal auf die Kürzungen zu sprechen kommen. Daß Gruppe den heutzutage unpassenden Vergleich des Zeltes mit einem "Zigeunerhaus" weggelassen hat, ist nachvollziehbar und verständlich, zumal es für die Handlung auch überhaupt keine Rolle spielt. Anders verhält es sich mit den Streichungen, die z.B. den Mann im Boot betreffen, und vor allem mit Jeremys ständigem Bemühen, seinen Freund Björn zu beruhigen. Die Beschreibung des seltsamen Ruderers wäre meiner Meinung nach durchaus geeignet gewesen, die "Gruselschraube" noch etwas anzuziehen, auch Jeremys Beschwichtigungen und Björns Reaktion darauf hätten dazu dienen können, den "Konflikt" zwischen den beiden noch etwas mehr herauszuarbeiten. Wirklich gefehlt hat mir vor allem Björns Idee, daß ein Opfer dargebracht werden müsse, um das Unheil abzuwenden.
Andererseits kann ich nachvollziehen, warum Gruppe darauf verzichtet hat, denn ohne diese "Idee" bleibt die Bedrohung wesentlich nebulöser. Gleiches gilt auch für das Verschwinden des Brotes oder Jeremys Gedanken an die Zivilisation (Autos, Polizisten, etc.), denn beide Punkte würden das unbestimmte Grauen zu sehr in eine eindeutige Richtung lenken. Daß Björn hier nicht nur einen Fuß ins Wasser taucht, sondern hineinspringt, und beide Männer daraufhin ins Wasser fallen, ändert nichts am Handlungsablauf, sorgt aber für zusätzliche Spannung. Das erweiterte Ende passt vom Stil her zwar sehr gut zu Blackwood, relativiert für mich aber ein wenig das Grauen. Ursprünglich endet die Geschichte nämlich ziemlich abrupt, und man erfährt als Leser nicht, was aus den beiden Freunden wird.
Damit dieses Gruselhörspiel funktioniert, haben die Produzenten und Regisseure Stephan Bosenius und Marc Gruppe wieder einmal alles gegeben. Musikalisch verzichtet man ganz auf klassische Instrumente und setzt stattdessen auf die düsteren, unheimlich wirkenden Klänge des Synthesizers. Das passt hervorragend zu der Erzählung, denn insbesondere der langgezogene summende bzw. brummende Ton, der ein Kernelement der Geschichte ist, würde mit einem "normalen" Instrument wohl nicht dieselbe Wirkung erzielen. Highlight der Produktion sind aber mit Sicherheit die eingesetzten Geräusche. Das Wasser der Donau spielt hier eine besondere Rolle, und folgerichtig hört man stets das Glucksen und Rauschen des Flusses. Als die beiden auf einer Insel landen, kann man außerdem die Welle, welche sich beim Anlegen am Ufer bricht, klar vernehmen. Auch der Gesang der vielen unterschiedlichen Vögel begleitet den Hörer, und selbstverständlich sind es nachts andere als tagsüber. Beinahe ebenso wichtig wie das Wasser, ist aber auch der Wind, der hier mal rauschend durch die Weiden streicht, mal heult, dann wieder scharf pfeift oder die Zeltplane flattern lässt.
Selbstverständlich haben Bosenius und Gruppe auch darauf geachtet, nicht die kleinen Töne zu vergessen, die das Hörspiel zum Erlebnis werden lassen. Dazu zählen die Schritte auf dem Sand, das Klappern mit dem Essgeschirr oder das Prasseln des Lagerfeuers. Besonders beeindruckend finde ich die Szene, in der Jeremy und Björn in den Fluss fallen, da sich das extrem realistisch anhört und man unwillkürlich denkt, es seien wirklich zwei Körper im Wasser gelandet.
Mindestens ebenso beeindruckend ist auch das schwere Flügelschlagen, welches gegen Ende ertönt. Man mag sich gar nicht vorstellen, was für ein riesiges, furchteinflößendes Wesen da unterwegs ist.
Aropos Ende: ganz am Schluß bekommt man noch einmal jenen brummende bzw. summenden Ton, der mit dem Grauen verbunden ist, deutlich zu hören.
Die Effekte beschränken sich auf Hall, der eingesetzt wird, um zu verdeutlichen, daß der Monlog des Offiziers in der Vergangenheit gesprochen wurde.

Zu den Sprechern:
Der Sprechercast ist klein aber fein. Peter Lontzek(Jeremy), der auch als Erzähler fungiert, ist einfach großartig. Er klingt jederzeit natürlich, egal ob ihn die Umgebung beeindruckt oder er erschöpft von der Fahrt, müde und besorgt ist. Besonders gut hat mir seine Ehrfurcht vor der Natur gefallen, aber richtig überragend fand ich ihn, als er zu flüstern beginnt und vor Angst zittert. Das macht er so gut, daß sich seine Furcht förmlich auf den Hörer überträgt.
Nicht minder überzeugend ist der ihm zur Seite gestellte David Berton(Björn) als junger Schwede, der viel früher als sein Freund die lauernde Gefahr spürt. Zunächst äußert er seine Bedenken nur zögerlich, aber je näher das Grauen kommt, umso mehr stößt er seinen Text hektisch hervor, bis er schließlich vollkommen panisch agiert. Marc Gruppe(Offizier) hat zwar nur wenige Sätze, aber diese spricht er souverän, so daß man ihm den kernigen Offizier gleich abnimmt.

Fazit:
Gelungenes Gruselhörspiel, welches mit seiner durchgehend unheimlichen Atmosphäre punktet.

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