Rezension: Gruselkabinett - 192 - Gefangen bei den Pharaonen

Neongrüne Riesenspinnen jagen Frankensteins Monster durch Draculas Schloß!
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MonsterAsyl
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Rezension: Gruselkabinett - 192 - Gefangen bei den Pharaonen

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Gruselkabinett - 192 - Gefangen bei den Pharaonen

Zum Inhalt:
Da Harry Houdini, der im Moment in Europa weilt, noch etwas Zeit bis zu seinem nächsten Auftritt in den USA hat, beschließen er und seine Frau, in Ägypten Station zu machen. Eines Abends ist Houdini allein mit seinem Führer Abdul Reis al Drogman unterwegs, als dieser mit dem Araber Ali Ziz in Streit gerät. Die beiden wollen umgehend ihren Konflikt auf einem Plateau in der Nähe der Pyramiden austragen, und Abdul Reis al Drogman bittet Houdini, ihm als Sekundant zu dienen. Dieser ahnt nicht, welche Folgen seine Einwilligung haben wird...

Zur Produktion:
Es ist schon ein gutes Jahr her, seit Titania-Medien zuletzt eine Geschichte von H.P. Lovecraft (20.08.1890 - 15.03.1937), dem Meister des Grauens, veröffentlicht hat. Gerade diese Folgen werden von den Fans der Reihe "Gruselkabinett" meist sehnsüchtig erwartet, da sie schon etwas Besonderes sind.
Die hier zugrundeliegende Erzählung "Imprisoned with the Pharaohs", so der englischsprachige Originaltitel, erschien erstmals 1924 in der Februar/März-Ausgabe des Magazins "Weird Tales". Wie üblich musste das deutsche Publikum mehrere Jahrzehnte warten, bis sie dann endlich im April 1982 in dem Sammelband "In der Gruft und andere makabre Geschichten", aus der Reihe "Phantastische Bibliothek" des Suhrkamp Verlags, als Nr. 71 veröffentlicht wurde.
Lovecrafts Geschichten sind für jedes Hörspiellabel, welches möglichst dicht an der literarischen Vorlage bleiben will, eine sehr große Herausforderung.
Zum einen, weil man deren Stil bzw. die Atmosphäre möglichst bewahren sollte, zum anderen, weil das Geschehen meist nur von einer Person erlebt und somit aus der "Ich-Perpektive" geschildert wird. Ersteres gelingt Skriptautor Marc Gruppe eigentlich immer, und die Anzahl der Protagonisten erweitert er geschickt, indem er kleinere Rollen entweder ausbaut oder einfach dazuerfindet. Das ist auch hier der Fall. Eigentlich gibt es bei Lovecraft nur den Ich-Erzähler, doch damit könnte man höchstens ein Hörbuch umsetzen. Entsprechend sah sich Gruppe gezwungen, den ursprünglich in Monologform verfassten Text in Dialoge umzuschreiben, welche hauptsächlich zwischen Houdini und seiner Frau Bess ablaufen. Gleiches gilt auch für die beiden Araber (Abdul und Ali), sowie den ägyptischen Sekundanten, die bei Lovecraft gar nicht als sprechende Figuren auftreten. So erklärt es sich auch, daß ca. nach der Hälfte der Spielzeit nur noch die Hauptfigur Houdini zu hören ist. Davon abgesehen, bleibt Gruppe aber dicht am Original, allerdings fehlen bei ihm etliche Beschreibungen der Umgebung, für die Lovecraft so bekannt ist. Puristen mag das vielleicht enttäuschen, aber ich kann versichern, daß immer noch genug davon übriggeblieben sind, damit echtes "Lovecraftfeeling" aufkommt. Natürlich musste die Sprache ein wenig modernisiert werden, und so ist hier auch nicht von "ausschiffen", sondern von "an Land gebracht" oder von "Enthusiasmus" statt von "Schwelgerei" die Rede. Interessanterweise hat Gruppe auch die Verweise auf die deutschen Archäologen bzw. Aufpasser weggelassen, obwohl sich diese für das deutsche Publikum geradezu angeboten hätten.
Viel verständlicher ist hingegen, daß sämtliche heutzutage zurecht als diskriminierend angesehenen Begriffe und Adjektive, wie z.B. "halbwegs reinlich", "abstoßende Beduinen", "ekelhaft bedrängten", oder gar "Barbaren" der Schere zum Opfer gefallen sind. Etwas irritiert hat mich allerdings, das Gruppe den Begriff "Ghoul", in Bezug auf die ägyptische Königin Nitokris, mit "Gespenst" bzw. "Geist" ersetzt hat. Meiner Meinung nach hätte die ursprüngliche Bezeichnung, im Zusammenspiel mit der Handlung, hier wesentlich besser gepasst. Im Gegensatz dazu sind die restlichen Veränderungen vernachlässigenswert und werden nur der Vollständigkeit halber genannt. Statt "zwanzig oder dreißig Meter" sind es hier "70 oder 80 Fuß", und aus der "Mücke" wurde eine "Fliege". Richtig gut finde ich hingegen, daß der Skriptautor die lovecraftsche Beschreibung der Kreatur nicht komplett übernommen hat, was beispielsweise deren Größe angeht, sowie die Präzisierung, was genau diesem Wesen nun geopfert wird.
Die "Hörbilder", welche die Produzenten und Regisseure Stephan Bosenius und Marc Gruppe akustisch geschaffen haben, kann ich nur als großartig bezeichnen. Bereits die Eröffnung, welche klingt, als höre man eine Grammophonaufnahme aus dem Jahre 1910, versetzt den Hörer in die Zeit zu der die Handlung spielt. Um diese Stimmung aufrechtzuerhalten, folgt eine wuchtig klingende orchestrale Weise, die von einer atonalen Klaviermelodie abgelöst wird. Anschließend gibt es ein treibendes Trommelstück, das in eine ägyptisch anmutende Melodie übergeht. Die arabischen Gesänge, sowie die düsteren und oft fremdartig wirkenden Synthesizersounds, tun ein Übriges, um den Hörer gebannt lauschen zu lassen. Zum Ende des Hörspiels erklingen dann noch ein harter Klavieranschlag, ein langezogener Trommelschlag und ein gedehnter Choral, die das unheimliche Hörvergnügen abrunden. Ich finde es überaus passend, daß außer dem Synthesizer vor allem klassische Instrumente wie Geigen, Trommeln, Harfe und Klavier eingesetzt werden.
Ebenso geschickt wie bei der Auswahl der Musik, ist man auch bei der Geräuschuntermalung vorgegangen. Schon das eingangs zu hörende Kratzen der Grammophonnadel finde ich äußerst originell und gelungen. Die Ankunft des Schiffs in Ägypten wird mit einem Schiffshorn und dem Trubel an der Mole adäquat in Szene gesetzt. Kairo erlebt man als riesigen orientalischen Markt mit allem was dazugehört, und in der Wüste sind böiger Wind, zirpende Zikaden, ein einsamer Vogel und in der Ferne heulende Schakale zu hören. Dazu kommen noch schreiende Esel und Kamele, sowie eine Kutsche, komplett mit schnaubenden Pferden und klapperndem Zaumzeug. Akustisches Highlight sind für mich jedoch die Töne innerhalb der Grabkammer. Der leise rieselnde Sand, die Trampelgeräusche, sowie das Zischeln und Grummeln erwecken beim Hörer das Gefühl, selbst dort unten zu sein. Etwas gestört hat mich aber der Glockenschlag, den man ganz am Ende hört, da dieser mich zu sehr aus der restlichen Soundkulisse gerissen hat. Auch die Effekte sind großartig gewählt. Das beinahe wahnsinnig anmutende Gelächter, welches leicht verzerrt ist und wabernd nachhallt, sowie der Hall, mit dem die Stimme Houdinis unterlegt ist, um die ungeheure Größe der Kammer darzustellen, sorgen für wohlige Gänsehaut beim Hörer.

Zu den Sprechern:
Für Intro und Outro hat Bodo Primus(Ansage) seine prägnante Stimme zur Verfügung gestellt, und obwohl seine Auftritte sehr kurz ausfallen, prägt er doch das ganze Hörspiel. Sprecherisches Highlight ist für mich aber ganz klar Hauptdarsteller und Erzähler Matthias Lühn(Harry Houdini) als der berühmte Magier. Es ist eine wahre Freude, diesem außergewöhnlichen Sprecher zu lauschen. Zu Beginn ist er nur der freundliche, liebevolle Ehemann, der sich auf die gemeinsame Reise freut, doch sobald er in Ägypten ankommt, ändert sich das. Zunächst enttäuscht ihn die "Verwestlichung" Kairos, bis er mit Hilfe des Führers dann doch das ursprüngliche und raue Ägypten kennenlernt. Das Staunen und die Ehrfurcht in seiner Stimme, als er die architektonischen Wunder des Landes bestaunt, kommen so realistisch rüber, daß man meint, neben ihm zu stehen. Wirklich großartig ist aber der Moment, ab dem er beginnt, ein wenig heiser zu klingen.
Er spricht den Rest seines Parts mit solch eindringlicher Intensität, daß man die panische Angst, die in ihm aufkommt, förmlich greifen kann. Allein seine Darbietung ersetzt leicht zwei weitere Figuren. Fabienne Hesse(Bess Houdini) besticht in der Rolle seiner Ehefrau. Ihre charmante Stimme lässt sie umgehend sympathisch wirken, und ihre Ehrfurcht und ihr Erstaunen klingt genauso natürlich wie bei Lühn. In scharfem Kontrast dazu agiert Axel Lutter(Abdul Reis al Drogman), der den einheimischen Führer mit rauer Stimme intoniert. Er ist von Anfang an recht aufdringlich, aber auch aufmerksam, was seine "Schützlinge" angeht. Die Kamele treibt er harsch an, und wenn ihm etwas nicht passt, reagiert er schroff und unwirsch. Letztendlich verspottet und verhöhnt er Houdini, und sein Gelächter dabei geht einem durch Mark und Bein. In weiteren Nebenrollen sind noch Sebastian Fitzner(Ali Ziz) als wütender Araber, der versucht Abdul zu verscheuchen, Rolf Berg(Sekundant) als sein ihn anfeuernder Assistent, der Houdini erkennt und an dessen Fähigkeiten zweifelt, sowie Marlene Bosenius(Säuglinge) als schreiende Babies zu hören.

Fazit:
Für Fans von Lovecraft ein Pflichtkauf, aber auch alle anderen können sich auf ca. 84 Minuten sich stets steigerndes Gruseln freuen.

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