
Gruselkabinett - 194 - Das Geständnis des Charles Linkworth
Zum Inhalt:
Charles Linkworth wird wegen Mordes zum Tod durch den Strang verurteilt. Doch ist er wirklich schuldig? Immerhin weigert sich der Angeklagte bis zum Schluß, sowohl gegenüber dem Gefängnisarzt als auch dem Gefängniskaplan, die Tat zu gestehen. Nach seinem Tod geschehen seltsame Dinge, und es sieht so aus, als würde die Seele des Gehängten keine Ruhe finden...
Zur Produktion:
Nach mehrmonatiger Pause bekommen Fans und Freunde der Reihe "Gruselkabinett" nun endlich Nachschub. Die dem Hörspielskript von Marc Gruppe zu Grunde liegende englischsprachige Kurzgeschichte "The Confession of Charles Linkworth", ist nach "Gruselkabinett - 102 - Mrs. Amworth" und "Gruselkabinett - 178 - Das unheimliche Turmzimmer" bereits die dritte Vertonung eines Werkes des britischen Autors Edward Frederic Benson (24.07.1867 - 29.02.1940). "The Confession of Charles Linkworth" erschien erstmals am 13.01.1912 im Magazin "The Cavalier and the Scrap Book" und wurde noch im gleichen Jahr ein weiteres Mal in Bensons Sammelband "The Room in the Tower and Other Stories" von Mills & Boon veröffentlicht. Übrigens ist das derselbe Sammelband, in dem auch die Vorlage zu "Gruselkabinett 178" erschien. Benson arbeitete nicht nur als Schriftsteller, sondern auch als Memoirenschreiber, Historiker und Biograph. In letzterer Funktion verfasste er eine vielbeachtete Biographie der britischen Schritstellerin und Poetin Charlotte Brontë, die mit ihrem Buch "Jane Eyre" Weltruhm erlangte. Benson starb am 29.02.1940 im University College Hospital London an Kehlkopfkrebs.
Auch wenn Skriptautor Marc Gruppe hier inhaltlich dicht an der literarischen Vorlage bleibt, gibt es doch wesentliche Änderungen in der Form der Präsentation. So wechselt er die Erzählperspektive von der dritten in die erste Person, wodurch die Hauptfigur Dr. Teesdale zum Ich-Erzähler wird. Dieser Wechsel sorgt dafür, daß der Hörer eine Identifikationsfigur hat und die Ereignisse noch intensiver erlebt. Interessanterweise liegt die größte Veränderung darin, daß Gruppe die in der Kurzgeschichte bereits am Anfang erfolgte ausführliche Schilderung des Mordes und der Umstände, die zur Verhaftung Linkworths führen, ganz ans Ende des Hörspiels setzt. Diese Umpositionierung empfinde ich als sehr geschickt, da der Hörer auf diese Weise viel länger im Unklaren darüber bleibt, ob Linkworth nun tatsächlich der Mörder ist, als der Leser der Kurzgeschichte. Um dem Medium Hörspiel gerecht zu werden, hat der Skriptautor die langen Erzählerabschnitte soweit wie irgend möglich in Spiel- bzw. Dialogszenen umgeschrieben, was dem Ablauf deutlich mehr Tempo verleiht.
Ansonsten gibt es noch einige wenige zusätzliche Dialoge und das eine oder andere schmückende Adjektiv (z.B. "großzügig") oder Substantiv (z.B. "Glas Sherry"). Um die Geistererscheinung, deren Anwesenheit Dr. Teesdale in Bensons Version lediglich "fühlt", fürs Hörspiel adäquat umzusetzen, greift Gruppe auf ein hörbares schweres Atmen zurück. Apropos Geistererscheinung: bei Benson ist es so, daß, wenn diese im Zusammenspiel mit dem Telephon auftritt, der Apparat leiser als normal klingelt, um die "Entfernung zum Jenseits" darzustellen. Das hätte man eigentlich auch gut ins Hörspiel übertragen können, doch hier klingt das Telephon immer gleich laut. Ich persönlich finde das zwar ein bisschen schade, aber selbstverständlich schmälert es das ca. 67minütige angenehm gruselige Hörvergnügen in keinster Weise.
Meiner Meinung nach erkennt man eine Titania-Medien Produktion bereits in den ersten Minuten. Die Produzenten und Regisseure Marc Gruppe und Stephan Bosenius haben eben längst ihren ganz eigenen, unverwechselbaren Stil gefunden. Hier werden zur Eröffnung düstere, unheilverkündendene, wabernde Synthesizersounds eingespielt, die dann in eine tragende Klaviermelodie übergehen. Neben dem Synthesizer bleibt das Klavier das dominierende Instrument, wobei die Melodien oftmals auch ruhig und harmonisch angelegt wurden. Außerdem kommt zwischendurch immer mal wieder ein Choral zum Einsatz, und zum Ausklang des Hörspiels ertönt eine sphärisch anmutende Melodie. Besonders lebendig wirkt das Geschehen jedoch durch den Einsatz vielfältigster Geräusche, für die das Label Titania-Medien zurecht bekannt ist. Beispielsweise hat jede Tür eine individuellen Klang, so daß man allein durch die Akustik erkennen kann, ob es sich um eine schwere Gefängniszellentür aus Eisen handelt, oder ob eine hölzerne Zimmertür ins Schloß fällt. Was die Sounduntermalung angeht, so ist die Hinrichtungsszene mit der anschließenden Autopsie sicherlich das akustische Highlight des Hörspiels. Man hört das Henkersseil knarren, die Falltür öffnet sich mit lautem Knall und selbst der noch schwingende Körper ist wahrnehmbar. Die "matschigen" Sounds bei der Autopsie lassen der Phantasie des Hörer viel Raum, an welchem Organ der Doktor da gerade "arbeitet". Ebenfalls sehr beeindruckend ist auch das zu Boden fallende Henkersseil, das Schaben von Stein auf Stein im Garten und natürlich der Brand im Bahnhof. Ich achte ja immer sehr auf die Schrittgeräusche, und auch in diesem Punkt gibt es kaum ein Label, das Bosenius und Gruppe das Wasser reichen könnte. Man kann genau unterscheiden, ob die Protagonisten sich innerhalb des Gefängnisses oder draußen auf dem Innenhof befinden. Details, die auf den ersten Blick vielleicht nebensächlich erscheinen, aber in Wahrheit äußerst wichtig sind, um eine Sequenz so realistisch wie möglich wirken zu lassen.
Zu den Effekten zählen auf jeden Fall das unheimliche schwere Atmen und das undeutliche Geflüster am Telephon. Darüber hinaus gibt es noch einen sehr gelungenen akustischen Wechsel während des letzten Telephonats. Zunächst hört sich Linkworths Stimme entsprechend blechern an, nur um dann peu à peu immer normaler zu klingen, sobald die Erzählung in die Spielszenen übergeht.
Zu den Sprechern:
Valentin Stroh(Dr. Teesdale), der hier auch als Ich-Erzähler fungiert, hat eine sehr sympathische Stimme, die perfekt zu seiner Figur des neugierigen und vom Fall Linkworth faszinierten Arztes passt. Stroh klingt in jeder Situation vollkommen natürlich, was seine Darstellung des erschreckten und später beinahe verängstigten Mediziners noch intensiver wirken lässt. Bodo Primus(Wärter Draycott) weiß schon bei seinem ersten Auftritt Akzente zu setzen, obwohl man ihn zunächst nur am Telephon hört. Sein Portrait des eigentlich bodenständigen Aufsehers, der sich die seltsamen Geschehnisse zwar nicht erklären, sie aber auch nicht leugnen kann, ist einfach großartig. Man hört Primus förmlich an, daß es seiner Figur schwerfällt, mit dem Übernatürlichen umzugehen. So druckst er herum, sucht verzweifelt nach den richtigen Worten und kommt auch öfter ins Stottern. Bert Stevens(Mr. Dawkins) bleibt in seiner Rolle als Gefängniskaplan ambivalent. Einerseits ist er grummelig, ablehnend und schnell wütend, andererseits aber auch freundlich und nachsichtig. Es ist genau dieser Wechsel, der seinen Part so interessant wirken lässt. Glenn Goltz(Charles Linkworth) spielt den zum Tode Verurteilten geradezu bravourös. Zu Beginn ist er gefasst und ein wenig fatalistisch, doch dann bricht seine Fassade auf, und er schluchzt herzzerreißend. Daß in ihm so viel mehr steckt, als man zunächst ahnt, wird im Laufe der Handlung immer deutlicher, sobald sich bei ihm ganz andere Seiten zeigen. Ähnlich zwiespältig wie die Figur des Gefängniskaplans, legt auch Marie Bierstedt(Ellen Linkworth) ihre Darstellung der Ehefrau des Delinquenten an. Auf der einen Seite klingt sie immer leicht biestig und latent sauer, aber auf der anderen Seite steht sie fest an der Seite ihres Gatten, den sie bedauert und beruhight. Obwohl sie eigentlich das richtige Alter für den Part von Charles' Mutter hätte, klingt die Stimme von Petra Nadolny(Mrs. Linkworth) für mich teilweise zu jung, in etwa so, als ob eine jüngere Frau versuche, älter zu wirken. Nichts desto trotz liefert sie eine überzeugende Vorstellung als resolute, geradezu bösartig keifende Giftspritze ab. In weiteren Nebenrollen kommen noch Leon Reichert(Mr. Carmody) als hilfsbereiter, freundlicher Untermieter und Herma Koehn(Mrs. Parker) in der Rolle von Charles' netter Haushälterin, die sich um ihren Arbeitgeber sorgt, zu Gehör. Lutz Reichert(Mr. Parker) agiert als neugieriger, zuvorkommender Kammerdiener, der auch als Kutscher und Hausmeister aktiv ist.
Uschi Hugo(Vermittlung) intoniert das gut aufgelegte, etwas irritierte "Fräulein vom Amt". Die Rollen von Marc Gruppe(Henker) und Jennifer Rohde(Frau) fallen so kurz aus, daß man schon genau hinhören muss, um sie nicht zu verpassen.
Fazit:
Interessante und kurzweilige Spukgeschichte, die als Hörspiel definitiv mehr Spaß macht, als ihre literarische Vorlage.
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