Rezension: Gruselkabinett - 91 - Mary Rose

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MonsterAsyl
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Rezension: Gruselkabinett - 91 - Mary Rose

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Gruselkabinett - 91 - Mary Rose

Zum Inhalt:
Mary Rose ist glücklich. Endlich kann sie ihren Verehrer Simon Blake heiraten. Ihre Eltern stellen nur eine Bedingung: Simon soll sich zuerst eine Geschichte anhören, die Marys Kindheit betrifft. Als Mary 11 Jahre alt war, machte sie mit ihren Eltern Urlaub im schottischen Hochland. Dort gab es eine kleine Insel, auf die sie sich stundenlang zurückzog, um Sketche zu malen. Eines Tages war das Mädchen plötzlich verschwunden. Eine großangelegte Suchaktion blieb ohne Erfolg, aber nach 20 Tagen tauchte Mary Rose von allein wieder auf. Allerdings kann sie sich bis heute nicht daran erinnern, was während dieser Zeit geschah.


Zur Produktion:
Ich finde es immer wieder beeindruckend, wie es Titania gelingt, nicht nur unterhaltsame Hörspiele zu produzieren, sondern auch gleichzeitig den literarischen Horizont der Hörer zu erweitern. Zumindest mir geht es so. Bis zu diesem Hörspiel war mir nicht bekannt, daß James Matthew Barrie(09.05.1860 – 19.06.1937), der Autor des Theaterstücks "Peter Pan", noch viele andere Werke verfasst hat. Barrie schrieb "Mary Rose" im Sommer 1919, und am 22.04.1920 hatte das Stück seine Uraufführung in London. Die Inszenierung war ein großer Erfolg und brachte es auf insgesamt 399 Vorführungen. Mit im Publikum von 1920 saß der damals gerade mal 21jährige Sir Alfred Hitchcock.
Er war begeistert von der Handlung und wollte sie Zeit seines Lebens verfilmen. Leider wurde nichts daraus, und bis heute hat sich, meines Wissens nach, auch sonst niemand an eine visuelle Umsetzung gewagt. Obwohl es sich um eine Gruselgeschichte handelt, ist das zentrale Thema der Verlust von geliebten Menschen. Barrie schrieb das Stück ein Jahr nach Ende des ersten Weltkriegs, und es dürfte damals wohl kaum einen Zuschauer gegeben haben, der während dieser schweren Zeit nicht Verwandte oder Freunde verloren hatte. Dementsprechend liegt der Fokus auch nicht auf einer Erklärung des seltsamen Verschwindens von Mary Rose, sondern vielmehr auf der großen Trauer und Hilflosigkeit, die dabei von ihren Angehörigen empfunden wird. Um das knapp 67seitige Stück in ca. 65 Minuten erzählen zu könne, musste Drehbuchautor Marc Gruppe zwar ein paar Kürzungen vornehmen, die aber meiner Meinung nach eher wenig stören, da sie nicht weiter wichtig für die Handlung sind. Einzig Mr. Cameron bleibt nun etwas farblos, weil viele Informationen über seine Person wegfallen. Doch auch das ist zu verschmerzen, denn es handelt sich bei ihm nicht um einen tragenden Charakter. Damit der Hörfluss gewährleistet bleibt, hat Marc Gruppe wieder etliche Beschreibungen in Dialoge umgewandelt und behutsame Modernisierungen vorgenommen. Im Theaterstück gibt es übrigens ein paar lustige Kabbeleien zwischen Miss Otery und Harry, die Barrie wohl dem Publikum zuliebe eingestreut hatte, die aber nicht recht zum düsteren Grundton der Handlung passen wollen und von Gruppe wohlweislich gestrichen wurden. Wer sie trotzdem mal lesen möchte, der findet das komplette Theaterskript im Internet unter http://www.unz.org/Pub/BarrieJM-1919-01083.
Für dieses Hörspiel verzichteten die Produzenten Stephan Bosenius und Marc Gruppe beinahe vollständig auf zusammenhängende Melodien und unterlegten stattdessen die Szenen mit einzelnen langezogenen Tönen, die mal menschlichen, mal technischen Ursprung haben. Besonders gelungen fand ich dabei den Sound der angezupften Klavierseite, dessen eigentümlicher Klang noch lange nachhallt. Diese "Reduzierung" trägt meiner Meinung nach wesentlich zum Aufbau der gruseligen Grundstimmung bei. Da die Ereignisse an nur zwei unterschiedlichen Orten stattfinden, ist die Geräuschauswahl zwar ein wenig limitiert, aber immer adäquat. In den Szenen auf der Insel zwitschern Vögel, rauschen Blätter oder schlagen Wellen ans Ufer. Im Haus der Familie Morland sind dann unter anderem Kaminfeuer, eine knarrende Tür und ein nahender Sturm zu hören.


Zu den Sprechern:
Kerstin Sanders-Dornseif(Miss Otery) ist mehr als überzeugend in ihrer Darstellung der scheinbar so starken Haushälterin, deren Nervenkostüm aber in Wirklichkeit schon längst etliche Risse hat. Das gilt auch für Timmo Niesner(Harry Morland Blake) mit seinem Portrait des heimgekehrten verlorenen Sohns, der mehr über seine Familiengeschichte wissen möchte. Frank-Otto Schenk(James Morland) und Monica Bielenstein(Fanny Morland) spielen die vom Schicksal ihrer Tochter gepeinigten Eltern. Schenk ist dabei ganz der gegenüber seiner Tochter etwas naive Vater, während Bielenstein in ihrer Rolle als liebevolle, traurige Mutter aufgeht. Das Highlight bildet aber für mich Luisa Wietzorek(Mary Rose), weil sie so unglaublich lebendig und natürlich wirkt. Man nimmt ihr den jugendlichen Enthusiasmus sofort ab, und auch als liebevolle Ehefrau kann sie jederzeit überzeugen. Ich bin mir zwar nicht ganz sicher, aber ich denke, sie hat ihre Rolle auch als das 11jährige Mädchen gesprochen, das Mary Rose bei ihrem Verschwinden ist. Axel Malzacher(Simon Blake) tritt als respektvoller, anfangs ein wenig schüchterner junger Mann auf, den Marys Vergangheit einfach nicht loslässt, und Tobias Nath(Mr. Cameron) gibt den schottischen Hochlandbewohner, der Respekt gegenüber seiner Person erwartet. In einer kleinen, aber sehr wichtigen Nebenrolle kommt noch Maximiliane Häcke(Stimme des Eilands) zum Einsatz, deren gehauchtes "Mary Rose" ebenso lockend wie bedrohlich klingt.

Fazit:
Gruselig angehauchtes Mysteryhörspiel, das ein wenig an "Picknick am Valentinstag" erinnert.

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Keeper of the Monsters

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