Rezension: Gruselkabinett - 108 - Der Kapitän der Polestar

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MonsterAsyl
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Rezension: Gruselkabinett - 108 - Der Kapitän der Polestar

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Gruselkabinett - 108 - Der Kapitän der Polestar

Zum Inhalt:
Die Polestar, ein Walfänger unter dem Kommando von Kapitän Nicholas Craigie, ist von Packeis eingeschlossen. Während sich die Mannschaft und der Medizinstudent John McAllister Ray um die schwindenden Vorräte sorgen, verhält sich der Kapitän zunehmend merkwürdig. Hinzu kommt, daß die Nachtwache immer wieder von unheimlichen Lauten und schaurigem Gestöhne berichtet. Als Mann der Wissenschaft, hält McAllister Ray dies natürlich für blanken Unsinn oder bestenfalls Massenhysterie, doch je länger ihr Aufenthalt im ewigen Eis dauert, desto mehr Zweifel beschleichen ihn...

Zur Produktion:
Aufgrund eines Krankheitsfalles (auf diesem Wege nochmals "Gute Besserung") sah sich Titania-Medien gezwungen, den Veröffentlichungsrhythmus ihrer Produktionen ein wenig zu ändern, was jedoch für die Hörer zum Glück nur einen Aufschub bedeutet. Statt im Frühjahr und Herbst jeweils 6 Folgen herauszubringen, werden ab Juni bis zum Ende des Jahres immer 2 pro Monat erscheinen. Auf diese Weise gibt es 2016 trotzdem 12 Folgen Gruselkabinett.
Den Auftakt bildet "The Captain of the Pole-Star", so der englische Originaltitel, aus der Feder des berühmten Sir Arthur Conan Doyle (22.05.1859-07.07.1930). Genau wie "Der Ring des Thot" (Gruselkabinett 61) wurde diese Kurzgeschichte erstmals 1890 in dem Buch "The Captain of the Polestar and Other Tales" veröffentlicht. Da Doyle die Geschichte in Form eines Tagebuchs erzählt und sie sich so allenfalls als Hörbuch eignen würde, hat Drehbuchautor Marc Gruppe den Text ein wenig umwandeln müssen. Trotz der recht üppig bemessenen Laufzeit von knapp 67 Minuten, kam es zu ein paar Kürzungen, und etliche Beschreibungen wurden zu Dialogen. Inhaltlich entsprechen diese ziemlich genau den Tagebucheintragungen, aber Gruppe verzichtet bei den von Doyle bereits vorgegebenen Gesprächen auf die Übernahme der schottischen(?) Akzente der Mannschaft. Das macht diese vielleicht ein wenig farbloser, dient aber dem besseren Verständnis. Zum Ausgleich hat Marc Gruppe aber auch adäquate deutsche Begriffe wie "Spökenkiekerei" einfließen lassen. Die von ihm vorgenommenen Streichungen sind, bis auf eine Szene, für den Verlauf der Handlung größtenteils irrelevant. Diese Szene, bei der ein Polarfuchs zum Schiff kommt, nur um dann jaulend das Weite zu suchen, hätte ich auf jeden Fall beibehalten, denn meiner Meinung nach steigert sie die Spannung nicht unerheblich. Ich vermute, daß Gruppe die Begebenheit aber weggelassen hat, um den Hörer länger im Ungewissen zu lassen, ob es sich hier nun um etwas "Übernatürliches" handelt oder um ein vollkommen irdisches Phänomen. Ähnliches dürfte für das Verschwinden des Kapitäns gelten. Während Doyle den entsprechenden Tagebucheintrag mit dem Hinweis beginnt, der Kapitän sei unauffindbar, überspringt Gruppe diesen Satz zunächst, so daß der Hörer erst sehr viel später erfährt, daß der Schiffsführer weg ist. Ich denke, mit diesen geringfügigen Änderungen kann man auch als Kenner der literarischen Vorlage gut leben, aber wer möchte, der lese doch einfach selbst die englischsprachige Kurzgeschichte im Internet unter http://www.gutenberg.org/cache/epub/294/pg294.txt nach.
Trotz aller Mühe, die sich Marc Gruppe mit dem Skript gegeben hat, bleibt das Ganze unterm Strich leider eine recht ereignislose Geschichte. Dies kann man jedoch nicht dem Drehbuchautor anlasten, sondern hierfür ist ganz klar Doyle verantwortlich. Die "Bedrohung" bleibt einfach viel zu vage, als daß sich die Mannschaft bzw. der Hörer ernsthaft Sorgen machen müssten. Das gilt auch für die unbefriedigende "Erklärung" am Schluss, bei der nichts als ominöse Andeutungen kommen.
Produktion und Regie von Stephan Bosenius und Marc Gruppe haben das gewohnt hohe Niveau, und beide holen das Beste aus den Sprechern heraus. Da der überwiegende Teil des Geschehens an Bord eines Schiffes spielt, ist es natürlich besonders wichtig, diesen Ort überzeugend zu gestalten. Dazu gehören in erster Linie die entsprechenden Geräusche, wie beispielsweise der unablässig pfeifende Wind, die knarrenden Schiffsplanken und -Seile, die schwappenden Wellen und die hölzernen Kajütentüren. Einzig die Schrittgeräusche an Deck haben mich etwas irritiert, da sie sich anhören, als ob die Personen über Metall statt Holz laufen. Vermutlich ist das aber eher meiner Unkenntnis gegenüber dem Aufbau der damaligen Schiffe geschuldet und kein Fehler auf Seiten der Produzenten. Zu meinem größten Bedauern gibt es nach wie vor keinen Hinweis im Booklet auf den/die Urheber der musikalischen Untermalung. Dabei setzt kaum ein anderes Label Melodien wirkungsvoller ein als Titania-Medien. Auch diesmal sind so gut wie alle Szenen mit Musik bzw. langgezogenen Tönen intensiviert worden. Passend zum Handlungsort werden beinahe ausschließlich helle und klare Töne verwendet, welche die Kälte der Eiswüste förmlich spürbar machen. Selbst die im Grunde genommen sehr harmonisch klingenden Zwischenmusiken weisen stets einen drohenden Unterton auf. Die Kombination von Musik und Geräuschen ist eigentlich perfekt gelungen, allerdings hätte ich mir einige Melodien etwas lauter eingespielt gewünscht.

Zu den Sprechern:
Hauptdarsteller und Erzähler Louis Friedemann-Thiele(John McAllister Ray) verkörpert perfekt die Rolle des jungen, sympathischen Mediziners, der anfangs noch versucht, das unheimliche Geschehen rational zu erklären. Er überzeugt in jeder Szene, und es ist ein Vergnügen, seine anfängliche Selbstsicherheit nach und nach bröckeln zu hören. Das sprecherische Highlight bildet aber für mich Matthias Lühn(Kapitän Nicholas Craigie) als unberechenbarer Schiffsführer. Schon mit den ersten Sätzen seiner rauen Stimme schlägt er den Hörer in seinen Bann, und da er anfangs sehr ruhig und freundlich wirkt, überrascht sein abrupter Stimmungswechsel, mitten im Gespräch, umso mehr. Lühn genügt dieses ausgezeichnet gespielte "Intro", um dem Hörer klarzumachen, daß er es hier mit einer gequälten Seele zu tun hat. Claus Thull-Emden(Steuermann) agiert passend als netter Rudergänger, aber noch besser hat mir Herbert Schäfer(Mr. Milne, 1.Maat) als Seemann gefallen. Zu Beginn flüstert er seinen Text mit verschwörerischem Unterton. Später verfällt er dann in beißenden Sarkasmus, um seine Unsicherheit zu verbergen, und am Schluss klingt er selbst ein wenig wahnsinnig. Beinahe ebenso gut finde ich Florian Jahr(Mr. Mason, 2. Maat), der seinem furchteinflößenden Bericht allein durch sein intensives Spiel Glaubwürdigkeit verleiht. In weiteren Nebenrollen kommen Benedikt Weber(Harpunier McLeod) als abergläubischer, verängstigter Waljäger, Daniela Bette(Verlobte) als grausig jammernde, stöhnende Frau und der unverkennbare Eckart Dux(McAllister Ray Senior) als Vater des Erzählers zum Einsatz.

Fazit:
Atmosphärisch dichtes Hörspiel einer etwas zu ereignislosen literarischen Vorlage.

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Keeper of the Monsters

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