Rezension: Gruselkabinett - 118 & 119 - 20.000 Meilen unter

Neongrüne Riesenspinnen jagen Frankensteins Monster durch Draculas Schloß!
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MonsterAsyl
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Rezension: Gruselkabinett - 118 & 119 - 20.000 Meilen unter

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Gruselkabinett - 118 & 119 - 20.000 Meilen unter dem Meer

Zum Inhalt:
Im Jahr 1866 macht ein schreckliches Ungeheuer die Weltmeere unsicher. Nachdem mehrere Schiffe von ihm versenkt wurden und der berühmte Meeresbiologe Prof. Pierre Aronnax die These aufgestellt hat, es könne sich bei der Kreatur um einen Riesennarwal handeln, beschließt man ein Jahr später, eine Expedition auszusenden, um das Tier zu fangen oder zu töten.

Zur Produktion:
Mit "20.000 Meilen unter dem Meer" betritt das "Gruselkabinett" Neuland. Abgesehen davon, daß die Geschichte für mich eher dem SF-Genre als dem Grusel zuzuordnen ist und somit schon fast konträr zu der sonst üblichen Thematik der Reihe steht, handelt es sich hier auch um Titanias erste Vertonung eines Romans des berühmten Autors Jules Gabriel Verne (08.02.1828 - 24.03.1905). Über das Buch selbst ("Vingt mille lieues sous les mers: Tour du monde sous-marin", so der Originaltitel des zwischen März 1869 und Juni 1870 in Pierre-Jules Hetzels Zeitschrift "Magasin d'Éducation et de Récréation" als Fortsetzungsgeschichte erschienenen Romans) braucht man eigentlich kein weiteres Wort zu verlieren. Allein durch die zahlreichen Verfilmungen (die erste erschien bereits 1907, die bekannteste 1954) und die ständige Neuauflage der Publikation, dürfte der Stoff längst weltbekannt sein. Im Hörspielbereich gab es ebenfalls schon eine Vielzahl an Adaptionen, von denen sich die meisten aber lediglich auf eine Aneinanderreihung der spannendsten Momente beschränkten und deshalb mit einer Laufzeit von unter einer Stunde auskamen. Ich muss gestehen, daß ich ein großer Freund von Vernes Geschichten bin und mich bemühe, möglichst jede Hörspielversion in meinen Besitz zu bringen. Da ich die Arbeiten des Labels Titania sehr schätze, habe ich mich über die Ankündigung dieser Gruselkabinett-Folge wirklich gefreut. Sie war auch eine gute Gelegenheit, zuvor nochmals Vernes Buch zu lesen, um meine Erinnerung aufzufrischen.
Da das Werk inzwischen im englischsprachigen Raum rechtefrei ist, findet man diverse Fassungen (zB. http://www.ibiblio.org/julesverne/books ... isions.pdf) im Internet. Die Lektüre fiel zu meiner Überraschung anstrengender aus als erwartet. Verne war das, was man heutzutage einen "Technik-Freak" nennen würde, und er legte viel Wert darauf, seinen Geschichten auch eine solide wissenschaftliche Basis zu geben. Dementsprechend strotzt der Text nur so von ermüdenden, die Handlung eher bremsenden Daten, Zahlen und Fakten. Ich hatte mehrfach den Eindruck, eine technische Abhandlung und keinen Roman zu lesen. Natürlich finde ich es prinzipiell gut, wenn ein Autor seiner fiktiven Handlung einen glaubwürdigen Hintergrund schafft, aber Verne übertreibt dies meiner Meinung nach. Interessanterweise sind die meisten Veröffentlichungen im deutschsprachigen Raum etwas von den theoretischen Diskursen befreit worden, was für ein weitaus flüssigeres Leseerlebnis sorgt. Auch Skriptautor Marc Gruppe hat die Zahlenflut des Originals erheblich eingeschränkt.
Vernes Romanvorlage besteht aus zwei Teilen, und auch das Hörspiel weist eine entsprechende Separierung auf. Obwohl es sich angeboten hätte, die vom Autor Vorgegebene genau so zu übernehmen, hat Titania das Hörspiel inhaltlich etwas anders aufgebaut. Jede Folge besitzt zwar eine Laufzeit von ca. 58 Minuten, doch Gruppes Skript für den ersten Teil endet bereits mit der Aufnahme der Schiffbrüchigen durch die Nautilus, während sich der zweite Part dann ganz den Abenteuern unter Wasser widmet. Mir hat dieser langsame Aufbau gut gefallen, da er dem Hörer viel Zeit lässt, sich mit den Akteuren und den Ereignissen vertraut zu machen. Darauf muss man sich aber auch einlassen wollen, und wer eher "Action-orientiert" ist und einen geraffteren Erzählstil bevorzugt, der sollte direkt die zweite Folge hören. Da es sich bei dem Buch um ein mehrere hundert Seiten umfassendes Werk handelt, musste Gruppe, trotz der großzügig angelegten Spielzeit, etliche Kürzungen bzw. Paraphrasierungen vornehmen. Das betrifft sowohl Kleinigkeiten, wie das Weglassen der ausgesetzten Belohnung für denjenigen der das "Monster" erlegt als auch weitaus wichtigere Stellen, z.B. das nähere Kennenlernen von Ned Land.
Daß Marc Gruppe die erste Begegnung von Kapitän Nemo und den drei Hauptakteuren ausgespart hat, stellt zwar einen Eingriff in Vernes Werk dar, sorgt aber gleichzeitig für mehr Spannung und eine zusätzliche Verlängerung des Mysteriums. Die sonstigen geringfügigen Änderungen, wie die Tatsache, daß Professor Aronnax hier selbst erkennt, daß die Speisen ausschließlich aus dem Meer stammen, während er bei Verne dies erst erfragen muss, oder daß die bei Verne nicht näher beschriebenen Haie von Marc Gruppe den weißen zugeordnet werden, spielen keine größere Rolle. Genauso wenig, wie die bereits erwähnte ausufernde Zahlen-Aufzählung, die in Kapitel 13 des Buches ganze 6 Seiten umfasst, was der Skriptautor verständlicherweise komplett unter den Tisch fallen ließ. Andere Kürzungen schlagen aber weit gravierender zu Buche. So fehlen etliche Kapitel, unter anderem das Abenteuer mit den Kannibalen oder der einige Tage andauernde Landgang. Gleiches gilt für lange Passagen der Unterwasserreise. Exemplarisch sei hier der Besuch von Atlantis genannt, welcher im Hörspiel mit mher oder weniger einem Satz abgehandelt wird. Mit der Nichtumsetzung dieser Szenen kann ich ganz gut leben, aber bedauerlicherweise gehen so auch etliche Einblicke in Nemos und Ned Lands Charakter verloren, was beide Figuren letztlich etwas eindimensional wirken lässt. Zum Ausgleich gibt es dafür unter anderem die Begegnung mit der Seespinne, die bei den meisten Vertonungen fehlt.
Wie gewohnt hat Marc Gruppe die zahlreichen Schilderungen und reinen Erzählpassagen zu Dialogen umgeschrieben, ohne sich dabei ganz von Vernes Vorlage zu trennen. Aus diesem Grund hat Professor Aronnax, genau wie im Buch, den umfangreichsten Text und wirkt so manchmal ein wenig monologisierend.
Für die Produktion und Regie sind wie gewohnt Stephan Bosenius und Marc Gruppe zuständig, und die professionelle Arbeit der beiden Labelchefs lässt bei mir keine Wünsche offen. Ich liebe es ja, wenn die Szenen eines Hörspiels so wirken, als hätte ein Unbeteiligter mit dem Mikro dabeigestanden und alles live aufgenommen. Damit dieser Effekt erzielt werden kann, fügen Gruppe und Bosenius eine Vielzahl unterschiedlichster Geräusche in jede Szene ein. Schon die Eröffnungssequenz sprüht geradezu vor Lebendigkeit. Es herrscht reger Verkehr, und undefinierbares Gemurmel ist genauso zu hören, wie das Rascheln der Kleidung der Passanten. Besser kann man dem Hörer eine belebte Straße kaum präsentieren. Genauso sorgfältig sind auch alle anderen Schauplätze gestaltet worden. Am Hafen schreien die Möwen, tuten die Schiffe und schlägt das Wasser an die Kaimauer. Innerhalb der Nautilus kann man trotz deren stampfender Maschinen noch das Schaben eines Stiftes auf Papier oder das Rücken von Stühlen hören. Besonders interessant finde ich die akustische Gestaltung der Luken, die wie vollautomatisch gesteuerte Schotts eines Raumschiffs klingen. Für zusätzlichen Realismus sorgen die eingesetzten Effekte. Die Stimmen während des Tauchgangs wirken etwas dumpf und haben einen passenden metallischen Unterton. Um die Annäherung der Schiffbrüchigen an Ned Land darzustellen, wird dessen Stimme anfangs sehr leise und dann immer lauter eingespielt. Die zur Vertiefung der Atmosphäre eingesetzte Musik ist immer passend und unterstreicht das Geschehen zusätzlich. Die Eingangsmelodie baut sofort einen gewissen Spannungsbogen auf, der die geschilderten Ereignisse noch bedrohlicher wirken lässt. Intrumentalisch herrschen Streich- und Blasinstrumente vor, wobei ich vor allem den Einsatz der Harfe und der Piccoloflöte herausragend finde. Neben den "klassischen" Instrumenten, gibt es aber auch düstere Synthesizersounds, und die mit der Figur des Kapitän Nemo unlösbar verbundene Orgel fehlt natürlich ebenfalls nicht.

Zu den Sprechern:
Die Entscheidung, den großartigen Jürgen Thormann(Prof. Pierre Aronnax) mit der Rolle des Meeresbiologen zu besetzen, hinterlässt bei mir einen etwas zwiegespaltenen Eindruck. Einerseits finde ich seine ältere Stimme überaus passend für das gängige Klischeebild des etwas weltfremden Wissenschaftlers, der völlig in seiner Arbeit aufgeht. Andererseits klingt er aber wirklich nicht mehr wie der Mann von 40 Jahren, den Verne beschreibt. Da das Alter des Professors im Hörspiel aber nicht erwähnt wird, dürfte das wohl nur Kenner der Vorlage stören. Thormann ist jedenfalls durchaus amüsant in seiner Interpretation, und ich konnte mir ein Grinsen nicht verkeifen, als er anfing, hilflos vor sich hin zu stottern, um seine Angst vor dem Unterwasserausflug und der möglichen Begegnung mit Haien zu verbergen. Julian Tennstedts(Conseil) Art und Weise, von seinem Arbeitgeber nur in der dritten Person zu reden, ist zunächst etwas irritierend, entspricht aber ganz dem Roman. Allerdings wirkt der loyale Diener dort längst nicht so übertrieben hasenfüßig wie hier. Dietmar Wunder(Ned Land) ist toll als entschlossener Harpunier, dem nichts wichtiger ist, als seine Freiheit, und Uli Krohms(Kapitän Nemo) leicht heiser klingende Stimme passt perfekt zu dem wohlartikulierten, von der Schlechtigkeit der Menschen verbitterten Mann. Hans Bayer(Kommandant Farragut) gefällt als gestandener Seefahrer, dessen raue Stimme Autorität ausstrahlt, und Sascha von Zambelly(Mr. Jones) wirkt sehr sympathisch in seiner Rolle des verblüfften Reporters. Einen kleinen, überzeugenden Gastauftritt hat Marc Gruppe(Zeitungsjunge) als nachrichtenschreiender Verkäufer, auch wenn die Rollenbezeichnung "ZeitungsJUNGE" für einen erwachsenen Sprecher schon etwas unglücklich gewählt ist.

Fazit:
Ansprechende Version von Jules Vernes Klassiker.

Das Hörspiel Gruselkabinett - 118 & 119 - 20.000 Meilen unter dem Meer
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