Rezension: Gruselkabinett - 128 - Der Streckenwärter

Neongrüne Riesenspinnen jagen Frankensteins Monster durch Draculas Schloß!
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MonsterAsyl
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Rezension: Gruselkabinett - 128 - Der Streckenwärter

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Gruselkabinett - 128 - Der Streckenwärter

Zum Inhalt:
Eines Abends entdeckt ein Reisender während seiner Wanderung einen eindrucksvollen, in einem Tal gelegenen Tunnel, an dessen Ausgang ein einsamer Streckenwärter seine Arbeit verrichtet. Neugierig geworden, ruft er dem Mann ein freundliches "Hallo da unten!" zu. Zunächst erfolgt keine Reaktion, aber als er seinen Ruf wiederholt, winkt ihn der Streckenwärter heran. Zum Erstaunen des Reisenden, scheint sich der Bahnangestellte jedoch vor ihm zu fürchten...

Zur Produktion:
Die Bücher von Charles John Huffam Dickens (07.02.1812-09.06.1870) dürften fast jedem ein Begriff sein. Seine berühmteste Erzählung ist wohl die Novelle "Eine Weihnachstgeschichte", welche Titania bereits als erstes Special unter dem Titel "Fröhliche Weihnachten, Mr. Scrooge!" vertont hat.
Doch Dickens darauf zu reduzieren, würde ihm absolut nicht gerecht werden, denn er verfasste noch viele weitere Werke, die es bis heute verstehen, ihre Leser zu unterhalten. Dazu zählen "Eine Geschichte von zwei Städten und "Oliver Twist", in denen er geradezu unsterbliche Charaktere auftreten ließ, die auch heute noch als Archetypen der Literatur gelten.
Weitaus weniger bekannt sind dagegen seine zahlreichen Geistergeschichten, zu denen auch die erstmals 1866 veröffentlichte Kurzgeschichte "The Signal-Man" gehört. Wer Dickens' Bücher schon im Original gelesen hat, der weiß, daß sein Stil ein eher gemächlicher ist, wobei die heute etwas veraltet wirkende Sprache das Lesevergnügen noch zusätzlich trüben kann. Erfreulicherweise fällt das Hörspielmanuskript von Marc Gruppe deutlich moderner und vor allem spannender aus, als die Vorlage. Wer selbst nachlesen möchte, findet diese Geschichte auch im Internet in englischer Sprache unter https://en.wikisource.org/wiki/The_Signal-Man. Anstatt die altmodischen Formulierungen in entsprechend gestelzt wirkende Dialoge zu verwandeln, schlägt Gruppe einen anderen Weg ein und erzählt die Handlung mit eigenen Worten. Dabei verliert er Dickens' Text aber nie aus den Augen. Durch kleinere, geschickt gesetzte zeitliche Veränderungen der Abläufe, gelingt es ihm nicht nur, seiner Version eine größere Dramatik zu verleihen, sondern auch das "Grauen" bis zum bewegenden Ende viel intensiver zu gestalten.
Ach ja, während Dickens die Beschreibung des Tunnelausgangs recht vage hält, bezieht sich Gruppe in seinem Skript ausdrücklich auf die eindrucksvolle, schloßartige Coverabbildung und zollt damit dem "hauseigenen" Illustrator Ertugrul Edirne seinen Respekt.
Da es sich hier um eine Kurzgeschichte handelt, liegt es nahe, diese mit zusätzlichen Szenen zu strecken, um eine längere Laufzeit zu erzielen. Darauf wurde aber angenehmerweise verzichtet, und so bekommt der Hörer das Ganze in einer äußerst kurzweiligen knappen Dreiviertelstunde präsentiert.
Auch in den Bereichen Produktion und Regie, für die Stephan Bosenius und Marc Gruppe wie üblich gemeinsam verantwortlich sind, kann ich keine Fehler ausmachen. Jeder Handlungsort hat ein eigenes Klangbild, mit dessen Hilfe die Szenerie lebendig wird. Innerhalb der kleinen Bahnwärter-Hütte prasselt das Feuer im Ofen, Stühle rücken, und die Tür öffnet sich mit einem zum Sujet passenden Knarren. Die nächtliche Welt vor der Tür wird mit diversen Nachtvögeln (unter anderem dem "Titania-Käuzchen") und dezentem Wind vermittelt. Besonders beeindruckend ist aber der urplötzlich erscheinende Zug, dessen Fahrgeräusch so plaziert wurde, daß der Hörer tatsächlich den Eindruck bekommt, es rausche ein solcher an ihm vorbei. Um die unterschwellige Bedrohung noch zu intensivieren, haben die beiden Produzenten dieses mal weitgehend auf Melodien verzichtet und setzen stattdessen ganz auf düster anmutende, langezogene Töne, die mit Hilfe eines Synthesizers bzw. Streichinstrumenten erzeugt wurden.

Zu den Sprechern:
Bei diesem Hörspiel wird einmal mehr deutlich, welchen Unterschied eine gekonnte Regie macht. Natürlich sind die eingesetzten Sprecher ohnehin Meister ihres Faches, aber nur unter der richtigen Führung entfalten sie, so wie hier, ihr volles Potential. Allen voran Matthias Lühn(Reisender), der nicht nur die Hauptfigur spricht, sondern auch als Erzähler tätig ist. Es macht einfach Spaß, ihm dabei zuzuhören, wie er sich langsam mit dem Streckenwärter anfreundet und ihm zu helfen versucht, ohne zu merken, daß einige seiner Anmerkungen die Situation nur noch verschlimmern. Es ist vor allem seinem ausdrucksvollen Spiel zu verdanken, daß ich am Ende tatsächlich eine Gänsehaut hatte. Nicht minder beeindruckend ist Bodo Primus(Streckenwärter) als einsamer, pflichtbewusster und von Erscheinungen gequälter Bahnangestellter. Seine Darstellung fällt dermaßen intensiv aus, daß es bereits genügt, um dem Hörer einen ordentlichen Schrecken einzujagen, wenn er während seiner Schilderungen zunächst die Stimme immer weiter absenkt, um dann unvermittelt wieder lauter zu werden. Rolf Berg(Polizist) ist der Inbegriff des gelassenen, distinguierten Beamten seiner Zeit, und obwohl Timmo Niesner(Lokführer) nur wenig Text hat, gelingt es ihm, beinahe genauso eindringlich zu wirken wie Primus, wenn er seinen Bericht stockend und mit heiserer Stimme vorträgt.

Fazit:
Beste Gruselunterhaltung, die dem Hörer einen eiskalten Schauer über den Rücken jagt.

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