Rezension: Gruselkabinett - 151 - Die Topharbraut

Neongrüne Riesenspinnen jagen Frankensteins Monster durch Draculas Schloß!
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MonsterAsyl
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Rezension: Gruselkabinett - 151 - Die Topharbraut

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Gruselkabinett - 151 - Die Topharbraut

Zum Inhalt:
Der Germanist Dr. Gunther Lutzke ist zu Beginn der 1910er Jahre auf der Suche nach einer Wohnung in Berlin. Nachdem er bereits stundenlang erfolglos diverse Domizile aufgesucht hat, scheint er endlich Erfolg zu haben. In der Winterfeldstr. 24 bietet ihm die freundliche Frau Peters 2 Zimmer zu einem wirklich günstigen Preis an, aber die Sache hat eine Haken: eigentlich besteht die Wohnung aus vier Zimmern, und er müsste sie sich deshalb mit einem Fremden teilen.
Zunächst will Lutzke nichts davon wissen, doch da er wenig Lust hat, weiterzusuchen und der andere Mieter, ein gewisser Fritz Beckers, verspricht, ein unkomplizierter Nachbar zu sein, willigt er schließlich ein. Mit der Zeit verbindet die beiden eine oberflächliche Freundschaft, sehr zum Leidwesen von Gunthers herzkranker Freundin Aenny. Eines Tages kommt es zum Eklat, und das Unheil nimmt seinen Lauf...

Zur Produktion:
Ich bin ein Fan von Hanns Heinz Ewers(03.11.1871-12.06.1943), nicht nur wegen der gruseligen Geschichten, sondern auch wegen seiner so interessanten Vita, auf die ich schon in meiner Rezension von "Gruselkabinett - 87 - Alraune" verwiesen habe. Dies ist nun die dritte Vertonung (das erste Hörspiel von Titania Medien nach Ewers ist "Gruselkabinett - 38 - Die Spinne") einer seiner literarischen Schöpfungen. Erstmals veröffentlicht wurde "Die Topharbraut" in dem Band "Das Grauen. Seltsame Geschichten. Erzählungen.", erschienen bei G. Müller, München/Leipzig 1907, mir selbst liegt eine Ausgabe aus dem Jahr 1974 vor, mit dem Titel "Die Spinne. Grausame Geschichten.", welche auch die titelgebende Kurzgeschichte enthält.
Von der Handlung war ich nach der Lektüre tief beindruckt, was meine Vorfreude auf das Hörspiel nur noch gesteigert hat. Um es direkt vorwegzunehmen: bis auf eine Sache finde ich die Skriptadaption von Marc Gruppe sehr gelungen. Bereits die Eröffnung, also die Unterhaltung mit Frau Paulsen, kommt viel flüssiger daher, als im Original. Das liegt vor allem daran, daß Gruppe die Figuren durchgängig mit einer leicht modernisierten Sprache versieht, bei der vor allem die Begrifflichkeiten angepasst worden sind.
So wurde beispielsweise aus dem "Kirchhof" der heutzutage gängigere Begriff "Friedhof", aus "reingemacht" wird "großes Reinemachen", die "Schale Haut" wird zur "Melange", und da wohl die wenigsten etwas mit dem Ausdruck "Priesterinnen der Venus vulgivaga" anfangen können, hat der Autor ihn auf "Priesterinnen der Venus" verkürzt und ein erläuterndes "Bordsteinschwalben" hinzugefügt.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch unbedingt auf zwei weitere Änderungen bzw. Erweiterungen hinweisen, die Ewers zwar nicht in seinem Text hatte, die ihm aber vermutlich sehr gefallen hätten. Diese betreffen den Bereich der Erotik, ein auch von Ewers favorisiertes Sujet, welches sein literarisches Werk zu dessen Entstehungszeit immer leicht verrucht erscheinen ließ, was für uns heutzutage kaum noch nachvollziehbar ist.
Zum einen nimmt Aenny hier Gunthers Hände und legt sie auf ihre Brust, damit er ihren Herzschlag fühlen kann, während sie bei Ewers lediglich seine Kopf an ihr Herz drückt. Dies gibt der Szene eine erotische Komponente, die durch die Art und Weise, wie die beiden Sprecher dabei agieren, noch zusätzlich unterstrichen wird. Zum anderen ist Aenny später in der Geschichte nackt in einer Gefahrensituation, während Ewers an der gleichen Stelle nichts zu ihrer Bekleidungssituation schreibt.
Da die Kurzgeschichte relativ viel Text umfasst, mussten, trotz einer Laufzeit von beinahe 77 Minuten, einige unwesentliche Details zum Ende hin gekürzt werden. Vor allem die etwas langatmige Schilderung des Museumsbesuchs, der Verweis auf die durchaus prominenten Sponsoren, der Hinweis auf die beiden anderen Topharbräute und die Vermutungen über die Herkunft der mumifizierten Person fehlen hier völlig. Doch dies mindert das Verständnis der Handlung in keiner Weise. Ebenfalls verändert wurde der sprachliche Umgang mit der weiblichen Hauptdarstellerin. Der heutigen Zeit entsprechend, fehlen hier solche unangebrachten veralteten Wendungen wie "meine kleine Freundin wurde immer kapriziöser" oder "das arme liebe Ding". Geändert wurde auch ihr Name, der bei Titania "Aenny Meier" lautet, statt, wie bei Ewers, "Ännchen Meier".
Ebenfalls gut gefallen hat mir Gruppes "Reparatur" einer Szene, die eigentlich schon damals merkwürdig gewirkt haben muss. Darin geht es um Lutzkes Wunsch, Beckers möge in seiner Gegenwart seine lange Pfeife nicht rauchen, denn er könne dies nicht ausstehen. Gleichzeitig erlaubt er ihm aber seltsamerweise, eine kurze Pfeife anzuzünden. Anscheinend ging es Herrn Gruppe da wie mir, denn bei ihm darf Beckers schlicht gar keine Pfeife rauchen!
Trotz meines bisherigen Lobes, muss ich leider auch einen Punkt anführen, der mir gar nicht gefallen hat. Während der Besuch bei dem Jubilar in Ewers' Fassung bis zum Ende des Kapitels mysteriös bleibt und sich das makabre Grauen dem Leser erst im Nachhinein erschließt, verrät Gruppe, zwar indirekt, aber dennoch vorzeitig, um was für ein Jubiläum es sich handelt. Darüber hinaus fehlen hier auch praktisch alle Hinweise auf die Inschriften der Kränze. Damit verliert die Szene meiner Meinung nach viel zu sehr an Grusel-Wirkung, auch wenn der Skriptautor zum Ausgleich die physische Erscheinung der anderen Gratulanten in den Vordergrund stellt.
Stephan Bosenius und Marc Gruppe, die beiden Produzenten von Titania Medien, eröffnen das Hörspiel mit einer heiteren, geradezu ausgelassenen Melodie, die sofort Assoziationen an die Musik des frühen 20. Jahrhunderts auslöst. Dieses Stück tritt zwar im Laufe der Szene in den Hintergrund, erklingt aber bis zu deren Ende, um den Hörer auf den zeitlichen Rahmen des Geschehens einzustimmen. Dementsprechend werden vor allem klassische Instrumente wie Klavier, Oboe und Geige verwendet, während der Synthesizer für düstere, drohende Töne sorgt. Die nachfolgenden Melodien alternieren je nach Handlungsbedarf. Mal klingen sie harmonisch, mal melancholisch und bei der Jubiläumsfeier (genau wie bei der Eröffnung) sogar fröhlich und schwungvoll.
Neben der überaus gelungenen musikalischen Untermalung, ist es mal wieder der extrem dicht gewebte Soundteppich, mit dem jede Sequenz versehen ist und der für die notwendige Atmosphäre sorgt. Er gibt dem Hörer regelrecht das Gefühl, akustisch "live" dabeizusein.
Bereits in der ersten Szene hat man so den Eindruck, neben dem Protagonisten Gunther Lutzke auf einer belebten Straße zu flanieren. Kutschen fahren vorbei, Menschen unterhalten sich oder rufen sich etwas zu und bewegen sich von hier nach dort. Sobald Lutzke das Treppenhaus betritt, klingt der Straßenlärm gedämpft und wird immer leiser, je weiter der Protagonist die Treppen hinaufsteigt. Besser kann man das meiner Meinung nach nicht darstellen. Highlight sind für mich aber wieder einmal die ganz kleinen Geräusche, z.B. das Umblättern von Seiten, das Entzünden eines Streicholzes oder die kurz knarrenden Dielen. Das mögen zwar, für sich genommen, unscheinbare Töne sein, aber ohne sie würde die Geräuschkulisse längst nicht so "rund" wirken.

Zu den Sprechern:
Matthias Lühn(Gunther Lutzke) ist der Erzähler und Protagonist dieses Hörspiels und füllt beide Funktionen zur vollsten Zufriedenheit aus.
Da er kein Ereignis aus der Vergangenheit vorträgt, beschränkt sich sein berichtender Part auch hauptsächlich auf Kommentare zum aktuellen Geschehen oder Beschreibungen der Umgebung. Sein schauspielerisches Talent kommt aber erst durch seine Interpretation des Sprachwissenschaftlers zur Geltung. Es ist ein großes Vergnügen, ihm dabei zuzuhören, wenn er seine Vermieterin aufzieht oder tadelt. Da er, genau wie der Hörer, erst ganz zum Schluß die grausige Wahrheit erfährt, spricht er seine Rolle überwiegend mit leicht amüsiertem Ton in der Stimme.
Sprecherisches Highlight ist für mich aber sein "Mitbewohner" Michael Pan(Fritz Beckers). Er wirkt zunächst wie ein höflicher, vollkommen harmloser Zeitgenosse. Nur aufgrund weniger Nuancen in seinem Vortrag, wie etwa einem kurzen Zögern an entscheidender Stelle, beginnt man zu ahnen, daß hinter dieser Fassade noch etwas anderes stecken könnte. Höhepunkt seiner Darbietung ist für mich sein letzter Auftritt, bei dem er seinen Text zischend hervorstößt. Ebenso überzeugend agieren auch Beate Gerlach(Frau Paulsen) in der Rolle der älteren Vermieterin, die ihre Neugier nicht im Zaum halten kann und ihre "Erkenntnisse" gern weitertratscht sowie Claudia Urbschat-Mingues(Aenny) als zwar gesundheitlich angeschlagene, aber dennoch äußerst lebenslustige junge Frau, die sich häufig mit schnippischem Ton echauffiert und dabei ihre Abneigung gegenüber Herrn Beckers überdeutlich formuliert.
Wie sorgfältig Titania Medien auch im Bereich der Regie arbeitet, kann man hier anhand des mit Gunther befreundeten Malers, dargestellt durch Rainer Gerlach(Paul Haase), sehen. Dieser muss nämlich, ganz so wie bei Ewers auch, ordentlich berlinern. Das passt absolut zu seinem Part und verleiht der Figur darüber hinaus noch zusätzliche Authentizität. Genauso echt klingt auch der Kurzauftritt von Sascha von Zambelly(Beermann), einem freundlichen Kollegen von Lutzke, der sich mit seinem Dialekt tatsächlich wie ein Österreicher anhört. Patrick Bach(Paketbote) leiht seine Stimme dem zuvorkommenden Postbeamten im Hintergrund, und Eckart Dux(Dr. Martens) intoniert den mit Lutzke befreundeten Mediziner, der an einen Scherz glaubt. Das Ehepaar Laurenz wird von Horst Naumann(Jakob Laurenz), der sich ob der Gratulationen erfreut zeigt, aber die Warenhauskonkurrenz fürchtet, und Martina Linn-Naumann(Frau Laurenz) als seine etwas ungeduldige Ehefrau gespielt. Rolf Berg(Franz) hat eine kurzen, aber einprägsamen Auftritt als konsternierter Kellner, und Marc Gruppe(Kutscher) ist der zustimmende Wagenlenker. Zum krönenden Abschluss hält Bodo Primus(Professor Köhler) in seinem Portrait des begeisterten Gelehrten noch einen glühenden Vortrag über die neuesten Errungenschaften seines Museums.

Fazit:
Mit dieser Produktion dürfte Titania Medien den Begriff "Topharbraut" nachdrücklich im Bewusstein vieler Hörer verankern!

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