Rezension: Gruselkabinett - 167 - Flaxman Low: Der Fall Hammersmith

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MonsterAsyl
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Rezension: Gruselkabinett - 167 - Flaxman Low: Der Fall Hammersmith

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Gruselkabinett - 167 - Flaxman Low: Der Fall Hammersmith

Zum Inhalt:
Lieutenant Roderick Houston, ein alter Freund von Flaxman Low, hat das Anwesen "The Spaniards" in Hammersmith geerbt. Eigentlich könnte er zufrieden sein, denn das Haus macht einen guten Eindruck. Doch leider hält es dort kein Mieter länger als ein paar Wochen aus. Seltsame Geräusche im Obergeschoss und ein unheimliches Wesen, welches obendrein noch fast einen Bewohner getötet hätte, verhindern eine dauerhafte Vermietung. In seiner Verzweiflung wendet sich Houston an Flaxman Low, von dem er gehört hat, daß er sich inzwischen mit unerklärlichen Phänomenen beschäftigt. Low willigt auch ein zu helfen, ohne jedoch zu ahnen, auf was er sich da einlässt...

Zur Produktion:
Das vorliegende Hörspiel ist nach "Gruselkabinett - 149 - Der Fall Teufelsmoor" & "Gruselkabinett - 155 - Der Geist von Baelbrow" bereits die dritte Vertonung eines "Flaxman Low"-Abenteuers. Low ist zwar irgendwo im Bereich der "Gespensterjäger" anzusiedeln, doch unterscheiden sich seine Geschichten maßgeblich von den gängigen Vertretern dieses Genres. Da wäre zunächst der ungewöhnliche Name des Hauptdarstellers. Laut den Autoren handelt es sich bei ihm um das Pseudonym eines der führenden Wissenschaftler des Viktorianischen Zeitalters, der in seiner Jugend ein bekannter Athlet war und sich inzwischen den Studien des Okkultismus verschrieben hat. Sein wahrer Name wird in den Geschichten allerdings nie genannt. Was seine Abenteuer so bemerkenswert macht, ist die Tatsache, daß es ihm zwar stets gelingt, die Ursache der unheimlichen Ereignisse zu ermitteln, doch im Gegensatz zu seinen bekannteren "Kollegen", die oft genug über irgendwelche speziellen Waffen oder Gaben verfügen, kann er diese oft nur analysieren und nicht immer wirklich beenden bzw. ihre Auslöser dauerhaft außer Gefecht setzen.
In den Jahren 1898 bis 1899 veröffentlichte Cyril Arthur Pearson sechs der insgesamt zwölf "Flaxman Low"-Geschichten in seiner monatlich erscheinenden Zeitschrift "Pearson's Magazine". Das gilt auch für "The Story of the Spaniards, Hammersmith", so der englischsprachige Originaltitel der literarischen Vorlage, übrigens Flaxmans allererstes Abenteuer, welches in Ausgabe 1, Vol. 5, im Januar 1898 erstmalig publiziert wurde. Zur großen Irritation des Autoren-Duos E. und H. Heron, einem Pseudonym für Katherine und ihren Sohn Hesketh Prichard (Hesketh lebte von 17.11.1876 bis 14.06.1922), erschien die Geschichte jedoch in der Rubrik "Real Ghost Stories", also "Echte Geistergeschichten" und war von Pearson mit einer Einführung versehen worden, die den Eindruck, es handele sich um eine wahre Geschichte, noch verstärken sollte.
Interessanterweise hat auch Hörspielautor Marc Gruppe dieses Vorwort in sein Skript eingearbeitet, vermutlich um, genau wie Pearson, den Gruselfaktor damit noch zu erhöhen. Im Gegensatz zu E. und H. Heron, beginnt er seine Version mit dem bereits in der Inhaltsangabe erwähnten Angriff auf einen der Mieter. Dabei verzichtet Gruppe zunächst auf jegliche Erläuterung und überlässt es der Phantasie des Hörers, sich auszumalen, was genau geschieht. Damit hat er zumindest mich sofort gefesselt und neugierig gemacht. Im Anschluß an diese Szene erklingt dann das bereits aus den beiden vorangegangenen Folgen bekannte geflüsterte bzw. gehauchte "Flaxman Low"-Intro mit dem hohen Wiedererkennungswert. Wer es einmal gehört hat, wird es nicht so schnell vergessen. Derart eingestimmt, verfolgt man gebannt die weiteren Ereignisse in dem rund 68 minütigen Hörspiel, dessen Ablauf einmal mehr sehr viel flüssiger gestaltet ist, als in der schriftlichen Fassung. Nicht zuletzt der erzählerische Perspektivenwechsel von der dritten in die erste Person Singular sorgt dafür, daß man sich als Hörer der Figur wesentlich verbundener fühlt, als in der ursprünglichen Version. Neben der etwas anderen Reihenfolge der Ereignisse und der mit Bedacht vorgenommenen Modernisierung einzelner Wörter ist hier neu dazugekommen. So wählt Gruppe für "Wire" ("Kabel" bzw. "Telegramm") den neutraleren, heutzutage gebräuchlicheren Ausdruck "Nachricht" und hat auch Ergänzungen bzw. dezente Änderungen vorgenommen. Bei ihm ereignen sich beispielsweise die unheimlichen Ereignisse um viertel nach drei Uhr morgens, statt zwischen zwei und drei, und auch die damit verbundene Information, daß die "Stunde des Teufels" zwischen drei und vier liegt, ist neu dazugekommen. Daß er Flaxman Low nicht zu einer Zigarette, sondern nach einem Glas Wein greifen lässt, ist entweder dem Zeitgeist geschuldet oder einer persönlichen Vorliebe Gruppes zuzuschreiben. Es gibt aber einen gravierenden Unterschied zwischen der Kurzgeschichte und dem Hörspielskript, die den Ausgang der Geschichte betrifft. Natürlich will ich nicht so viel spoilern und kann daher nicht ins Detail gehen, aber so viel sei gesagt: Marc Gruppe setzt die Handlung gekonnt fort. Einerseits klingt seine Weiterführung so natürlich, daß man glauben könnte, sie sei bereits in der literarischen Vorlage vorhanden gewesen, andererseits wirkt sie inhaltlich bzw. stilistisch so zeitgemäß wie eine moderne Erzählung. Bei aller Begeisterung für Gruppes Umsetzung und weitgehende Werktreue, gibt es doch einen Punkt, der mir nicht so gut gefallen hat. Dieser betrifft die wörtliche Übersetzung eines Begriffs im Zusammenhang mit der Beschreibung der übernatürlichen Erscheinung. Es geht um das englische Wort "Bladder", welches der Skriptautor zwar mit "Blase" richtig übersetzt hat, was allerdings eher schlecht mit der späteren Erklärung dafür zusammenpasst. Hier hätte ich mir eine etwas freiere Übersetzung in Richtung "Klumpen" oder ähnliches gewünscht. Da sich auch diese Geschichte im englischsprachigen Public Domain befindet, können interessierte Hörer sie unter http://gutenberg.net.au/ebooks06/0605811.txt, im Internet nachlesen.
Wer schon einmal eine Folge der Reihe Gruselkabinett gehört hat, weiß, wie viel Wert die beiden Produzenten und Regisseure Stepahn Bosenius und Marc Gruppe auf eine zur Handlung passende Musik legen. Jede einzelne Szene wird mit Hilfe von unterschiedlichsten Melodien und Tönen akzentuiert. So steigert sich beispielsweise in der Szene, in der Flaxman den Brief Rodericks vorliest, die Dramatik der Tonfolge analog zum Inhalt des Briefes, und bei der Beschreibung des Hauses wird im Hintergrund eine bedrohlich klingende Weise eingespielt. Besonders beeindruckend fällt aber der Choral aus, den man bei der Manifestation des Geistes auf dem Bett zu hören bekommt. Dieser ließ mich unwillkürlich an den Soundtrack eines Horrorfilms im Stil von "Der Exorzist" denken. Apropos Soundtrack: Blendet man Geräusche und Sprachpassagen aus, bekommt man den Eindruck, Film- statt Hörspielmusik zu hören. Vielleicht sollte Titania Medien mal darüber nachdenken, die Musik zum jeweiligen Hörspiel separat zu veröffentlichen. Auf CD wäre das wohl leider eher unwirtschaftlich, aber im Streamingbereich könnte ich mir das als gelungenen Bonus bzw. Mehrwert durchaus vorstellen. Ebenso überzeugend wie die Musik, ist auch die Geräuschkulisse ausgefallen. Da kratzt die Schreibfeder auf dem rauen Papier, ein Sturm kommt mit heftigen Böen, Regen und Donner herangezogen, und in einer Szene befindet man sich als Hörer akustisch quasi mitten unter Bauleuten, die Abrissarbeiten durchführen. Highlight sind aber natürlich die schaurigen Töne, welche den Auftritt des unheimlichen Wesens begleiten. Der schwere Atem, das unheimliche Stöhnen und die undefinierbaren Geräusche während es sich bewegt, sorgen für wohlige Gänsehaut. Die Effekte beschränken sich auf einen leichten Hall innerhalb des Anwesens "The Spaniards" und eine beeindruckende räumliche Aufteilung des Klanges generell, die am besten mit Kopfhörern zu genießen ist.

Zu den Sprechern:
Rolf Berg(Flaxman Low) hat hörbar Spaß an seiner Rolle des unkonventionellen Erforschers des Übersinnlichen. Seine Herangehensweise ähnelt der eines Detektivs, und es macht Spaß, die Figur bei den Ermittlungen zu begleiten. Berg spielt den Protagonisten mit einer derartigen Intensität, daß man total vergisst, daß es sich hier nur um Schauspiel handelt. Dementsprechend drastisch empfindet man als Hörer dann auch die Szene, in der er um sein Leben kämpfen muss. Allein schon aufgrund seines Keuchens und den panisch hervorgequetschten Wörtern, beginnt man sich ernsthaft Sorgen um seine Gesundheit zu machen. Sollte Titania Medien auch noch die restlichen neun Geschichten vertonen, wovon ich eigentlich fest ausgehe, hoffe ich, daß ihnen Herr Berg auch weiterhin als Sprecher für diesen Part zur Verfügung steht. Neu dabei ist das Hörspielsprecher-Urgestein Bernd Kreibich(Butler Wilkes) als gediegen, aufmerksam und zuvorkommend agierender Diener Lows. Auch wenn es diesen Charakter in den Kurzgeschichten nicht gibt, Kreibichs würdevolles Spiel, gepaart mit dem trockenen Humor, machen ihn zu einer willkommenen zusätzlichen Figur, die hoffentlich beibehalten wird. Zwar ist Jonas Minthes(Lieutenant Roderick Houston) Darstellung des sympathisch klingenden Freundes Lows, dessen erste Skepsis während der Ereignisse schmilzt wie Eis in der Sonne, absolut gelungen. Jedoch finde ich seine Stimme, in Anbetracht des Werdegangs seiner Figur, zu jung, als daß ich ihm den Kapitän wirklich abnehmen könnte. Doch das ist selbstverständlich eine Frage der Besetzung und der überzeugenden Darbietung Minthes nicht anzulasten. Jean Paul Baeck(Mr. van Nuysen) hat nur einen kurzen, aber dafür umso prägnanteren Auftritt als keuchender und stöhnender Mieter des Hauses. Gleiches gilt für Sabine Trooger(Mrs. van Nuysen) als seine gedämpft schreiende Ehefrau. Die heisere Stimme von Peter Weis(Mr. Filderg) passt hervorragend zu seinem Part als entschlossen und aggressiv handelnder älterer Mann, und Marc Gruppe(Sandlieferant) leiht dem rustikalen Baustoffzusteller seine Stimme. In weiteren Nebenrollen sind Sascha von Zambelly(Bauarbeiter) als entsetzter, aufgeregter und vor allem abergläubischer Handwerker und der einzigartige Lutz Mackensy(Polier) als sein zunächst genervter und später verwirrter Vorgesetzter, der dem Bauherrn verlegen Bericht erstatten muss, zu hören.

Fazit:
Gruselige Unterhaltung mit dem Gespensterjäger der besonderen Art.

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