Rezension: Gruselkabinett - 171 - Das Gespensterschiff

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MonsterAsyl
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Rezension: Gruselkabinett - 171 - Das Gespensterschiff

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Gruselkabinett - 171 - Das Gespensterschiff

Zum Inhalt:
Nachdem sein Vater den Großteil seiner Habe durch den Untergang des Handelsschiffes verloren hat und aus Gram über den Verlust gestorben ist, beschliesst sein Sohn Achmet, zusammen mit dem alten Ibrahim, seinem treuen Diener, Glück und Erfolg in der Fremde zu suchen. Mit dem verbliebenen Vermögen des Vaters schiffen sich die beiden in Richtung Indien ein, doch bereits nach zwei Wochen auf See kommt ein heftiges Unwetter auf, und wie aus dem Nichts erscheint ein mysteriöses Segelschiff...


Zur Produktion:
Nach "Das kalte Herz" (Gruselkabinett 159) präsentiert Titania Medien mit dieser Folge eine weitere Geschichte aus der Feder von Wilhelm Hauff (29.11.1802 - 18.11.1827), die aus seinem ersten Märchenbuch stammt, dem im Jahre 1825 erschienen Band: "Märchenalmanach auf das Jahr 1826 für Söhne und Töchter gebildeter Stände". Wie in seinen anderen Märchensammlungen, gibt es auch hier eine Rahmengeschichte (in diesem Buch: "Die Karawane"), innerhalb derer dann die einzelnen Märchen ["Kalif Storch", "Die Geschichte von dem Gespensterschiff", "Die Geschichte von der abgehauenen Hand", "Die Errettung Fatmes", "Die Geschichte von dem kleinen Muck" und "Das Märchen vom falschen Prinzen"] erzählt werden. Zwei Jahre später, im Januar 1827, wurde er Redakteur des "Cottaschen Morgenblattes für gebildete Stände", und wenige Wochen darauf, im Februar, heiratete er seine Cousine Luise Hauff (06.01.1806-30.07.1867), mit der er sich bereits 1824 verlobt hatte. Im August 1827 unternahm er eine Studienreise nach Tirol, bei der er sich mit Typhus ansteckte. Nur acht Tage nach der Geburt seiner Tochter Wilhelmine am 10. November desselben Jahres, starb Wilhelm Hauff an den Folgen seiner Erkrankung. "Das Gespensterschiff" dürfte wohl, nicht zuletzt wegen der Hörspieladaption von Europa, neben den Geschichten "Der kleine Muck", "Kalif Storch", "Das Wirtshaus im Spessart" und "Das kalte Herz", zu den bekanntesten Erzählungen Hauffs gehören. Trotzdem gibt es davon erstaunlicherweise bisher keine Verfilmung. Dabei weist die Handlung genügend Elemente auf, die auch das heutige Publikum ansprechen würden und die mit Hilfe der Computertechnologie auch durchaus preisgünstig zu realisieren wären.
Doch zurück zum Hörspiel. Natürlich bietet sich hier ein Vergleich zwischen der Europa-Version und Titania Mediens Vertonung geradezu an, aber den überlasse ich anderen, da ich das Hörspiel gern für sich stehen lassen möchte. Daß die beiden Produzenten und Regisseure Stephan Bosenius und Marc Gruppe Fans der alten Adaption sein müssen, lässt sich allein schon anhand der Besetzung einer Rolle durch Bernd Kreibich zeigen, der damals dort den "Achmet" sprach und hier, aufgrund seines Alters, in der Rolle des in die Jahre gekommenen Dieners bzw. Freundes "Ibrahim" zu hören ist. Darüber hinaus gleichen sich die Covermotive so sehr, daß bei oberflächlicher Betrachtung schon beinahe Verwechslungsgefahr bestehen würde, wäre da nicht Ertugrul Edirnes einzigartiger Zeichenstil.
Wie gewohnt bleibt Marc Gruppes Hörspielskript dicht an Hauffs Erzählung und weicht nur in Kleinigkeiten von der literarischen Vorlage ab. So erfahren Achmet und Ibrahim hier durch den Stadttorwächter von dem weisen Muley, während es bei Hauff der Wirt der Karawanserei ist. Für die Handlung spielt das keinerlei Rolle, und ich gehe davon aus, daß Gruppe auf diese Weise lediglich eine durchaus entbehrliche Figur "einsparen" wollte. Daß der Skriptautor den Derwisch namenlos lässt, bei Hauf heisst er "Zante", hat mich etwas gewundert, da Gruppe in der Vergangenheit häufiger in den Vorlagen unbenannte Figuren mit Namen versehen hat. Gut gefallen hat mir aber die zeitliche Einordnung der Handlung in das Jahr 1825, welches identisch mit dem Erscheinungsjahr der Geschichte ist. Auf diese Weise rückt der Skriptautor sie etwas näher an die Wirklichkeit heran und schwächt gleichzeitig das "märchenhafte" Element ein wenig ab.
Neben der notwendigen Veränderung der Monloge in Dialoge, sind einige Begrifflichkeiten bzw. Formulierungen leicht modernisiert worden. Beispielsweise ist hier von "umsehen" statt dem altmodisch klingenden "vorzuschreiten" die Rede, und Hauffs "Verdeck", welches man heutzutage eher mit einem Auto assoziert, verkürzte Gruppe einfach zum gebräuchlicheren "Deck". Für mich übertrifft er sogar zweimal den Autor der Vorlage, indem er das ursprüngliche "Schwert" mit dem wesentlich besser zum Handlungsort passenden Wort "Säbel" vertauscht und den wilden Kapitano nicht von "sterben", sondern "krepieren" sprechen lässt. Neu hinzugekommen sind lediglich einige kurze Dialoge, wie der zwischen Achmet und Ibrahim nach dem Sturm, und ein paar beschreibende Adjektive wie die "zarte" Morgenröte. Da Hauffs Geschichten inzwischen rechtefrei sind, kann man "Das Gespensterschiff" auch im Internet, unter https://de.wikisource.org/wiki/Die_Gesc ... sterschiff, nachlesen und einen eigenen Vergleich zwischen Hörspiel und Kurzgeschichte anstellen.
Obwohl ich die Handlung, nicht zuletzt auf Grund diverser vorangengangener Hörspieladaptionen, natürlich gut kenne, finde ich die knapp 58minütige Spielzeit extrem kurzweilig, was einmal mehr der großartigen Leistung der beiden Produzenten und Regisseure Stephan Bosenius und Marc Gruppe zu verdanken ist.
Um den Gruselfaktor der Geschichte noch zu unterstreichen, kommen hier zwar überwiegend der Synthesizer, aber auch klassische Instrumente wie Klavier und Geige zum Einsatz. Dabei sind sowohl die düsteren, als auch die helleren, leicht sphärisch angehauchten Töne, allesamt elektronischen Ursprungs, während ruhige bzw. postive Momente wie die Sichtung von Land oder das versöhnliche Ende, mit Hilfe von harmonischen Klavier- bzw. Geigenmelodien atmosphärisch in Szene gesetzt wurden. Highlight der musikalischen Untermalung ist für mich jedoch der Einsatz des Frauenchors, der zu hören ist, als Achmet und Ibrahim versuchen, die Leichen zu entfernen. Daß der Gesang nur dezent im Hintergrund eingespielt wird, verleiht der Szene einen zusätzlichen Hauch von "Tod und Vergänglichkeit".
Auch die Geräuschkulisse steht der Musik in nichts nach. Schon mit dem eingangs zu hörenden orientalischen Basar, seinen schreienden Marktverkäufern, dem zum Gebet rufenden Muezzin, den bellenden Hunden und blökenden Kamelen, sorgen Bosenius und Gruppe für das notwendige "Flair" und "entführen" damit den Hörer in eine längst vergangene Zeit. Da der überwiegende Teil der Handlung auf See spielt, erklingen vor allem nautische Töne. Dazu zählen die schreienden Möwen ebenso wie die im Wind flatternden Segel, die läutende Schiffsglocke, mal vor sich hin plätschernde und dann wieder sich brechende Wellen, knarrende Schiffsplanken oder die im Sturm brechenden Masten. Am beeindruckensten ist aber sicherlich die akustische Darstellung des sinkenden Schiffes, das mit einem satten Gurgeln in den Tiefen des Meeres verschwindet, auch wenn mein persönliches Highlight das eher unscheinbare Geräusche der zersplitternden Holzkiste ist.
Die Effekte werden punktgenau eingesetzt und sind auch etwas zahlreicher als üblich. So wird beispielsweise mit Hilfe eines Halleffekts verdeutlicht, daß es sich um Stimmen aus der Vergangenheit handelt, und der kräftige Faustschlag des Kaptäns auf den Tisch ähnelt schon fast einer Explosion. Ausgesprochen gruselig finde ich die ineinander gemischten Stimmen der toten Matrosen, deren Gemurmel erst nach und nach immer lauter wird.


Zu den Sprechern:
In diesem Hörspiel darf Jannik Endemann(Achmet) als junger, beherzter Kaufmann, der sich nicht unterkriegen lässt, die ganze Bandbreite seines Talents zum Ausdruck bringen, denn er ist nicht nur Hauptdarsteller, sondern auch der Erzähler. Während er in letzterer Funktion schon fast sachlich klingt, spielt er seine Figur mit umso mehr Gusto. Egal ob Achmet sich gerade fürchtet oder wild entschlossen ist, Endemann kann jedes dieser Gefühle glaubhaft vermitteln. Besonders begeistert hat mich eine eher unspektakuläre Sequenz, in der er unruhig schläft. Besser kann man das nicht darstellen.
Geradezu großartig finde ich die Besetzung von Bernd Kreibich(Ibrahim), dieses Mal (wie weiter oben bereits erwähnt) nicht in der Hauptrolle, sondern in der des stets loyalen älteren Bediensteten, der so viel mehr ist als nur ein Diener. Kreibich hat hörbaren Spaß an seiner Rolle, und es gelingt ihm sogar, allein mit Hilfe von Ausdruck und Betonung, seinen Part mit ein wenig unterschwelligem Humor zu versehen.
Die heisere Stimme von Peter Weis(Kapitän) passt perfekt zu dem besorgten älteren Seefahrer, der so voller düsterer Vorahnungen ist.
Ebenso treffend besetzt finde ich auch Thomas Balou Martin(Kapitano), der den brutalen Seebären mit rauer Stimme intoniert. Es macht einfach Spaß, ihm dabei zuzuhören, wie er "Buddel voll Rum" halb singt, halb besoffen grölt, und wenn er seine Mannschaft anschreit, kauft man ihm den skrupellosen Schiffsführer sofort ab.
Ebenfalls ein Genuß für die Ohren ist Willi Röbke(Muley), der den alten, dürren Mann mit heiser gurgelnder Stimme spricht. Dank seines intensiven Spiels und diversen Nuancen in seinem Vortrag, bleibt seine Figur bis zum Schluss undurchsichtig.
Bene Gutjan(Stadttorwächter) leiht seine sympathische Stimme dem hilfsbereiten Pfortenhüter, und Marc Gruppe(Steuermann/Seemann/Muleys Sklave) absolviert gleich drei gelungene Darbietungen: als gehorsamer Schiffslenker, grobschlächtiger Saufkumpan und zu Hilfe eilender Leibeigener. In der letztgenannten Funktion erlebt man auch ganz kurz einen der seltenen Auftritte von Stephan Bosenius(Muleys Sklave).

Fazit:
Spannende, orientalische Variante des Mythos vom "Fliegenden Holländer".

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