Rezension: Gruselkabinett 174 - Der Bluthund

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MonsterAsyl
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Rezension: Gruselkabinett 174 - Der Bluthund

Beitrag von MonsterAsyl »

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Gruselkabinett - 174 - Der Bluthund

Zum Inhalt:
Robert und St. John, zwei wohlsituierte Lebemänner, verbindet nicht nur Freundschaft, sondern auch eine ausgeprägte Langeweile. Eines Tages kommen sie auf die Idee, zur Zerstreuung einem ganz besonders abscheulichen Verbrechen nachzugehen, der Grabräuberei. Um sich an den erbeuteten Gegenständen zu erfreuen, erschaffen sie im Keller ihres Hauses ein morbides Museum, welches sie nach und nach mit immer neuen Fundstücken füllen. Als St. John von einem über 500 Jahre alten Grab in Holland hört, in dem sich, zusammen mit der Leiche, ein uraltes Artefakt befinden soll, beschließen die beiden Freunde, umgehend dort hinzufahren...

Zur Produktion:
Dies ist bereits die 14te Vertonung einer Erzählung des amerikanischen Schriftstellers H.P. Lovecraft (20.08.1890 - 15.03.1937), und damit hat er bisher die meisten Vorlagen für die Reihe "Gruselkabinett" geliefert. Die hier zugrundeliegende Kurzgeschichte "The Hound", so der englischsprachige Originaltitel, hatte Lovecraft zwar schon im September 1922 verfasst, aber die Veröffentlichung erfolgte erst im Februar 1924 in dem Pulpmagazin "Weird Tales". Übrigens ist es auch das erste Mal, daß Lovecraft das berühmte "Necronomicon" in einer seiner Stories erwähnt. Ein Aspekt, auf den ich gleich nochmals zurückkommen werde. In Deutschland erschien die Kurzgeschichte zwar erst fast 50 Jahre später (1973), aber dafür gleich zweimal: im Insel Verlag in dem Sammelband "Stadt ohne Namen" unter dem Titel "Der Hund" und bei Heyne in der Anthologie "14 Horror-Stories" als "Das Amulett des Grabräubers".
Ich persönlich finde diese Titel, auch den des Hörspiels, etwas unbefriedigend. "Der Hund" greift eindeutig zu kurz und ist absolut nichtssagend. "Das Amulett des Grabräubers" ist insofern irreführend, daß Lovecraft in seiner Erzählung das Wort "Ghoul" verwendet. Nun ist dieser Begriff ebenfalls verwirrend, da er entweder ein mythologisches, leichenfressendes Wesen meint, oder jemanden, der als Leichenschänder bzw. Grabräuber unterwegs ist. Skriptautor Marc Gruppe hat sich für "Der Bluthund" entschieden, von allen drei Varianten die wahrscheinlich präziseste, doch ich finde, sie verrät einerseits zu viel und andererseits wird so mancher Hörer lediglich das Bild eines gewöhnlichen Jagdhundes vor Augen haben, statt des eigentlich gemeinten Wesens. Darüber hinaus vermisse ich auch eine "phantastische" Konnotation. "Hound" ließe sich ja auch mit "Biest" übersetzen, was zumindest letzterem Aspekt zuträglich gewesen wäre. Bei vielen Kritikern kam die Geschichte nicht gut an, und interessanterweise bezeichnete sogar Lovecraft sie später als "a piece of junk", also "ein Stück Müll" bzw. "Schrott". Soweit würde ich nun nicht gehen, obwohl ich bei der Lektüre den Eindruck bekam, es handele sich lediglich um eine Art Exposé, welches der Autor später noch überarbeiten und inhaltlich "auffüllen" wollte. Aus dem Vorhandenen ein Hörspielskript zu erstellen, war gewiss nicht leicht, aber es ist Marc Gruppe gelungen, die literarische Vorlage meiner Meinung nach sogar zu verbessern, ohne mit dem Stil Lovecrafts zu brechen.
Ich will das anhand einiger Beispiele erläutern. "Robert", der hier auch als Erzähler fungiert, erwähnt in der Geschichte, daß er vor hat, sich "das Hirn wegzublasen", während Gruppe ihn lediglich von "Selbstauslöschung" sprechen lässt, um dann erst ganz am Ende der Geschichte diesem Umstand, wie bei Lovecraft, Rechnung zu tragen und den Hörer damit quasi zu "überrumpeln". Außerdem ist es dem Skriptautor mit wenigen Ergänzungen gelungen, die Handlung nicht nur plausibler, sondern auch interessanter bzw. spannender zu gestalten. Neu hinzugekommen ist unter anderem die Erwähnung, daß beide Freunde wohlhabend sind und sich nur so ihren "Freizeitaktivitäten" ausgiebig und exklusiv widmen können. Auch daß es hier keine Dienerschaft gibt, um das Risiko der Entdeckung bzw. Enttarnung zu vermeiden, ist ein Detail, welches das Geschehen erheblich nachvollziehbarer macht. Die Erwähnung des "Necronomicon" und des verrückten Arabers "Abdul al Hazred", die bei Gruppe sehr viel früher erfolgt als bei Lovecraft, ist vor allem für die Kenner der Mytholgie um "Cthulhu" von Bedeutung, da diese so die nachfolgende Handlung ganz anders antizipieren als Hörer, die damit nicht vertraut sind. Eine weitere Änderung betrifft das holländische Grab. Im Original handelt es sich dabei um eine "normale" Ruhestätte, der die Protagonisten mit Schaufeln zu Leibe rücken. Hier ist es eine steinerne Grabplatte, die angehoben wird, was natürlich mehr hermacht und eher mit Gruselgeschichten assoziiert wird. Daß es nicht daran liegt, daß man nicht den entsprechenden Soundeffekt kreieren konnte, wird im Laufe des Hörspiels an anderer Stelle eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Übrigens gibt es auch einen kleinen Insidergag, die Erwähnung des Namens "Asmodis", der mich durchaus amüsiert hat.
Soviel zu den Erweiterungen. Zu den gekürzten bzw. entfallenen Szenen gehören das Niederlassen und Verspeisen der Leiche auf dem Friedhof durch die übergroßen Fledermäuse, wie auch der erschlagene Geier. Letzteren zu übergehen, war für mich ein weiser Entschluß, denn zum einen sind diese Vögel nun mal in Holland nicht heimisch, zum anderen schont Gruppe damit womöglich auch die Nerven tierlieber Hörer. Trotz allen Lobes, gibt es doch eine Sache, die mich gestört hat. Obwohl der Skriptautor den Großteil des Erzählertextes zu Dialogen zwischen Robert und St. John umgeschrieben hat und es verschiedene, gut in Szene gesetzte Lokalitäten gibt, hatte ich eher den Eindruck, einem Kammerspiel beizuwohnen, eben weil nur diese beiden Charaktere miteinander agieren. Daher hätte ich mir zumindest die eine oder andere Szene gewünscht, in der noch weitere Sprecher auftreten, um den Ablauf etwas mehr aufzulockern. So hätte beispielsweise der Wirt im Hotel die Ereignisse schildern können, statt sie aus der Zeitung vorlesen zu lassen. Aber das ist natürlich eine Geschmacksfrage. Möglicherweise hat man diesen Aufbau ja auch gerade deshalb so gewählt, damit sich der Hörer ganz auf die zwei Protagonisten konzentriert und sie vor allem durch ihr Spiel überzeugen bzw das Ganze tragen müssen. Nebenbei bemerkt etwas, was die beiden auch konstant über die gesamte Spielzeit von ca. 57 Minuten tun.
Um den von Marc Gruppe festgelegten Handlungszeitpunkt der 1890er Jahre adäquat darzustellen, kommen für die Musik hauptsächlich zeitgemäße Instrumente, unter anderem diverse Streicher, zum Einsatz. Die stimmungsvollen Melodien alternieren zwischen düster und tragend sowie aufpeitschend und treibend, je nachdem, was die einzelne Szene gerade verlangt. Der Synthesizer hingegen wird für die wummernden, dumpf pochenden Sounds eingesetzt, und auch die atonalen Laute, die trotzdem erstaunlich melodiös wirken, stammen daher. Zusammen mit dem unheimlich klingenden, beinahe klagenden Choral, ergibt sich bereits ohne die Geräusche ein Klangbild, das mitunter an einen Horrorfilm erinnert.
Perfektioniert wird der akustische Eindruck aber natürlich durch die Vielzahl der eingesetzten Töne, für die Bosenius und Gruppe ja schon lange bekannt sind. Jede Tür hat ihr eigenes Geräusch: die Haustür quietscht, die Schlafzimmertür knarrt, die Mausoleumstür schleift über den Steinboden, und der Gruftdeckel wird scharrend entfernt. Geräuschlich besonders eindrucksvoll gestaltet ist unter anderem die Szene auf dem Friedhof, mit der in unmittelbarer Nähe läutenden Kirchenglocke, den rufenden Nachtvögeln und dem aufgeregten Flattern und Fiepen der Fledermäuse. Nicht minder imposant fällt auch der immer anders klingende Wind aus. Mal ist es ein laues Lüftchen, dann wieder pfeift er, und ab und zu streicht er, nur um dann in eine kräftige Böe umzuschlagen. Doch wie immer sind es die kleinen, eher unscheinbaren Töne, die mich so begeistern. Die beiden Produzenten vergessen keinen Laut, egal ob es sich dabei um das Entzünden eines Streichholzes, das Blättern in einem Folianten, im Unterschied zum Blättern in einer Zeitung, die auf die Leinwand aufgetragenen Pinselstriche oder das Spannen des Revolverhahns handelt. Jedes Detail wird berücksichtigt und sorgfältig in die Szene integriert.
Zusätzlich gibt es noch einige unterstützende Effekte. So wird das unheimliche Gelächter mit Hall unterlegt, um es gruseliger wirken zu lassen, während derselbe Effekt bei dem Gespräch in der (Vor-)Halle des Hauses eingesetzt wird, um deren räumliche Größe darzustellen. Am gelungsten finde ich diesmal die Art und Weise, wie St. John langsam auf Robert zukommt. Dabei wird seine Stimme, je mehr er sich seinem Gesprächspartner nähert, immer etwas lauter eingespielt. Ebenfalls sehr überzeugend ist aber auch die Szene, in der sich St. John im Garten befindet und von draußen aufgeregt ruft. Seine Stimme klingt dabei dumpfer, um auf das geschlossene Fenster, welches zwischen den Sprechern liegt, akustisch hinzuweisen.

Zu den Sprechern:
Wie schon erwähnt, gibt es in diesem Hörspiel eigentlich nur zwei Figuren, nämlich Jonas Minthe(Robert) und Patrick Bach(St. John). Minthe hat den umfangreichsten Text, da ihm auch der Part des Erzählers zufällt und er somit das Hörspiel quasi doppelt trägt. Sein Spiel ist immer auf den Punkt und absolut mitreißend. Egal welche Emotion, von Erschrecken, Furcht, bis hin zu panischem Schluchzen, Jonas Minthe nimmt den Hörer mit auf die Gefühlsachterbahn. Sein Portrait des jungen Mannes, der seinem Freund quasi bis zur Hörigkeit ergeben ist, fällt in jeder Hinsicht tadellos aus.
Gleiches gilt für Patrick Bach(St. John) und seine intensive Darstellung des gelangweilten Mannes, der von einem Extrem ins nächste geht und persönliche Befriedigung nur mit Hilfe der niedersten Abgründe erreichen kann. Da seine Figur von Anfang an so wirkt, als sei sie nicht nur Robert, sondern sogar dem Schicksal gegenüber überlegen, fällt die von Bach packend präsentierte Steigerung des Grauens und der damit verbundenen Hilflosigkeit, die sein Charakter durchmacht, umso eindrucksvoller aus. Selten wurde ein Hörspiel so sehr von den Sprechern getragen wie hier.
Nicht unerwähnt bleiben soll auch noch der dritte "Sprecher" Marc Gruppe(Bluthund), der nicht nur mit, wie ich finde, durchaus gelungenem Geheul das titelgebende Wesen intoniert, sondern auch die unverständlichen Beschwörungen murmelt und für das finster klingende Gelächter verantwortlich ist.

Fazit:
Für Fans von H.P. Lovecraft eh ein Muss, zumal der Inhalt dezent und mit viel Respekt gegenüber der Vorlage verbessert wurde.
Aber auch alle anderen können durchaus ein Ohr riskieren, wenngleich es sich hier nun nicht gerade um die gelungenste Kurzgeschichte des großen Autors handelt.

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