Rezension: Gruselkabinett - 185 - Die Musik des Erich Zann

Neongrüne Riesenspinnen jagen Frankensteins Monster durch Draculas Schloß!
Antworten
Benutzeravatar
MonsterAsyl
Administrator
Administrator
Beiträge: 4413
Registriert: Do 29.05.2003, 00:04
Wohnort: Der Schädelberg

Rezension: Gruselkabinett - 185 - Die Musik des Erich Zann

Beitrag von MonsterAsyl »

Bild

Gruselkabinett - 185 - Die Musik des Erich Zann

Zum Inhalt:
Ein armer Student der Metaphysik bekommt in der Rue d'Auseil ein Zimmer in einem heruntergekommenen, alten Haus, das von dem gelähmten Monsieur Blandot betrieben wird. Nachts ertönt aus der Wohnung über der des Studenten eine seltsame und unheimliche Musik. Fasziniert befragt er am nächsten Tag seinen Vermieter, der ihm erzählt, daß dort ein alter Gambist namens Erich Zann wohnt. Der Student beschließt, den Musiker abzupassen, um dessen Bekanntschaft zu machen...

Zur Produktion:
Die Geschichten des amerikanischen Schriftstellers H.P.Lovecraft (20.08.1890 - 15.03.1937) in ein Hörspiel umzusetzen, dürfte zu den schwierigsten Aufgaben eine Labels gehören, da sie vor allem durch ihre ganz eigene düstere Atmosphäre beeindrucken. Titania Medien hat sich der Herausforderung bereits mehrfach erfolgreich gestellt, und auch diese Adaption bildet da keine Ausnahme. "The Music of Erich Zann", so der englischsprachige Originaltitel, erschien erstmals 1922 in dem Magazin "The National Amateur". Die Kurzgeschichte war so erfolgreich, daß sie bereits drei Jahre später in der Maiausgabe von "Weird Tales" (Nummer 5) erneut abgedruckt wurde und gut neun Jahre später in der Novemberausgabe von "Weird Tales" (Nummer 24) ein drittes Mal erschien.
Die letzte Zeitschriftenveröffentlichung erfolgte 1951 in "Famous Fantastic Mysteries, Vol. 12 No. 3." Deutschen Lesern wurde sie erst 1968 in dem Buch "Cthulhu. Geistergeschichten.", gedruckt vom Insel Verlag, zugänglich gemacht. Inhaltlich gibt es bei allen Publikationen keine Unterschiede, lediglich der Version von 1951 wurde zur Einstimmung ein kurzer Paragraph vorangestellt, in dem es um unheimliche Musik, wie die von Paganini, geht.
Da diese Zusatzinformation nicht von Lovecraft selbst stammt und für die Geschichte auch unwichtig ist, kommt sie konsequenterweise im Hörspiel nicht vor.
Dafür hat Skriptautor Marc Gruppe ein paar neue Sätze an den Anfang gestellt, bevor er mehr oder weniger wortgetreu dem literarischen Text folgt.
Apropos Intro: geschickterweise wird selbiges hier nicht erzählt, sondern läuft als gespielte Szene ab, was auch die Frau auf der Straße erklärt, die bei Lovecraft fehlt. Damit das Hörspiel nicht zu einer inszenierten Lesung verkommt, gibt Gruppe die Gespräche zwischen dem Studenten und Monsieur Blandot, welche ursprünglich Monologe des Erzählers waren, in Form von Dialogen wieder. Das erhöht nicht nur die Dynamik, sondern passt auch besser zum Medium. Weggelassen wurde so gut wie nichts, lediglich die Verortung der Studentenwohnung in den fünften Stock fehlt. Für mich ist das auch nachvollziehbar, denn die uralten Häuser kamen nur selten auf so viele Stockwerke. Hinzugefügt wurden dagegen ein paar schmückende Adjektive. So sind hier z.B. die Stühle schief, es wird explizit erwähnt, daß Zann nicht möchte, daß man den Fensterknauf anfasst, und auch dessen Titulierung als "alter Kauz" findet sich bei Lovecraft nicht. Das gilt ebenfalls für den Satz, mit dem das Hörspiel ausklingt. Dieser ist zwar neu, hätte aber auch genausogut von Lovecraft selbst stammen können. Was mich ein wenig irritiert hat, ist, daß bei Marc Gruppe aus dem ursprünglichen "Upholsterer" ein "Tapezierer" statt eines "Polsterers" wird. Doch das ist für den Verlauf der Handlung ohne Bedeutung und von daher vernachlässigenswert. Gefreut hätte ich mich dagegen über einen kurzen erklärenden Satz zu Erich Zanns Instrument, einer Viola da gamba [leitet sich von der Spielhaltung ab, bei der das Streichinstrument nicht wie eine Geige im Arm, sondern zwischen den Beinen gehalten wird]. Möglicherweise liegt es ja an meiner musikalischen Unwissenheit, aber ich konnte mit der Bezeichnung allein nichts anfangen und schätze, daß es dem einen oder anderen Hörer genauso gehen dürfte.
Auch wenn das Grauen hier, genau wie bei Lovecraft, nur angedeutet wird, sorgen Skript und Inszenierung dafür, daß der Hörer bis zum Schluss des ca. 49-minütigen Hörspiels ein Gefühl latenter Bedrohung verspürt.
Wenn schon im Titel das Wort "Musik" vorkommt, liegt es auf der Hand, daß diese auch im Hörspiel eine prominente Rolle spielen muss. Das haben wohl auch die Produzenten und Regisseure Stephan Bosenius und Marc Gruppe so gesehen, denn jede Szene ist musikalisch unterlegt worden. Dominierend sind dabei diverse Blasinstrumente wie z.B. die Flöte, aber der Schwerpunkt liegt eindeutig auf dem Streichinstrument, der besagten Viola da Gamba. Aufgrund meiner magelnden Fachkenntnis in diesem Bereich, kann ich allerdings nur vermuten, daß es sich tatsächlich um eine solche und nicht etwa doch "nur" um eine Geige handelt. Darüber hinaus sind noch Harfe und eine Art Glockenspiel zu hören, welche viel zur Atmosphäre beitragen. Die einzelnen Stücke klingen immer ein wenig schräg bzw. atonal und haben eine tragische, anrührende Note. Natürlich hätte man hier auch avantgardistische Weisen oder noch modernere Melodien einsetzen können, aber ich finde, daß diese den Hörer dann zu sehr irritiert und aus dem Hörerlebnis gerissen hätten.
Neben der stimmigen Musik, sorgt auch die perfekte Geräuschkulisse für eine entsprechend dichte Atmosphäre. Der Straßenlärm ist ebenso gekonnt in Szene gesetzt, wie das herannahende Gewitter mit seinem Donner und dem anschließenden Regen. Ich achte ja sehr auf Schrittgeräusche, und Titania Medien ist eins der wenigen Labels, die mich in diesem Punkt immer zufriedenstellen, da ihre Schritte jeweils individuell angepasst sind. So kann man beispielsweise anhand der knarrenden Holzstufen deutlich hören, ob ein Protagonist schwer oder eher ein Leichtgewicht ist. Mindestens genauso sorgfältig sind die einzelnen Türen ausgesucht. Die zu dem Studentenzimmer scheint eine schwere Holztür zu sein, die wuchtig ins Schloss fällt, während die von Zann leichterer Bauart ist und leise quietscht. Dafür besitzt sie einen Riegel, der gut hörbar aufgeschoben wird. Besonders beeindruckend sind auch die winzigen Geräusche innerhalb von Zanns Zimmer, die sich so gar nicht benennen lassen, aber für ein glaubhaftes akustisches Erlebnis sorgen. Gleiches gilt auch für die vielen unscheinbaren Töne, wie das Klimpern des Schlüsselbundes, das Rücken der Stühle, das Kratzen der Schreibfeder auf dem rauen Papier, das Zersplittern des Fensterglases oder die Blätter, die von dem heulenden Wind in die Nacht hinausgetragen werden. Weitere Highlights sind das unheimliche Knarren und das nicht minder beeindruckende Rumpeln, welche man aus Zanns Zimmer zu hören bekommt. Das am Ende ertönende Wolfs- oder Hundegeheul ist eigentlich überflüssig, bietet aber einen geradezu klassischen Abschluss für ein Gruselhörspiel. Akustische Effekte werden hier noch sparsamer als üblich engesetzt und beschränken sich auf leichten Hall im oberen Treppenhaus und das Rütteln an der Tür.

Zu den Sprechern:
Martin May(Erzähler) ist einfach grandios in der Rolle des ehemaligen Studenten, der seine Geschichte erzählt bzw. erneut durchlebt. Jedes Gefühl, das seine Figur im Laufe des Geschehens hat, bringt er mit seiner Darbietung exakt auf den Punkt. So scheint er eingangs verwirrt, verzweifelt und ein wenig ängstlich zu sein, aber sobald er mit der Frau auf der Straße spricht, reißt er sich merkbar zusammen. Im Umgang mit Dritten agiert er stets freundlich, und seine Begeisterung für Zanns Musik hört man ihm deutlich an. Wirklich großartig ist seine Darstellung, als er mühsam versucht, Zanns Gekritzel zu entziffern, und die Art und Weise, wie sich sein fassungsloses Entsetzen über die Ereignisse immer weiter steigert, kann man nur als absolut gekonnt bezeichnen. Ebenfalls beeindruckend ist auch das Spiel von Yens Rahba(Erich Zann), dem es allein mit Hilfe von unartikulierten Lauten gelingt, dem eigentlich stummen Musiker eine "Stimme" zu geben. Jeder Ton, den er von sich gibt, spiegelt ein Gefühl wieder. Mal erschrickt er, dann wieder ist er aufgebracht, und seinen stummen Schrei gegen Ende fand ich sogar exzellent. In kleinen aber feinen Nebenrollen hört man noch Arianne Borbach(Frau auf der Straße), die sich zwar über die Frage des Studenten nach der Rue d'Auseil wundert, aber trotzdem freundlich versucht, ihm weiterzuhelfen, und Hans Bayer(Blandot) als alter, ungeduldiger Invalide mit rauer Stimme, dem es nur ums Geld geht und dem es egal ist, wie ruppig er sich anderen gegenüber verhält.

Fazit:
Erstklassige Adaption einer Geschichte des Altmeisters des Grauens, die sowohl Fans als auch Neulinge begeistern wird.

Das Hörspiel Gruselkabinett - 185 - Die Musik des Erich Zann
gibt es bei
Amazon.de
oder bei
POP.de
Keeper of the Monsters

Bild
Antworten

Zurück zu „Grusel-Hörspiele“