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Rezension: Gruselkabinett - 188 - Der Hexenmeister

Verfasst: Sa 20.04.2024, 16:34
von MonsterAsyl
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Gruselkabinett - 188 - Der Hexenmeister

Zum Inhalt:
Es begab sich 1885, daß der junge Wendelin in Winkelburg zur Vollwaise wurde, nachdem seine Mutter gestorben war. Völlig verzweifelt hätte er beinahe eine Ausbildung als Weber begonnen, aber da bietet ihm Herr Zuckermahn an, gegen Kost, Logis und ein gutes Gehalt, für ihn Gartenarbeiten zu verrichten. Das wäre Wendelin auch lieber, aber Zuckermahn hat einen üblen Leumund. Ja, man behauptet sogar, er könne hexen. Trotz aller Bedenken entschließt sich der junge Mann, für den "Hexenmeister" zu arbeiten.

Zur Produktion:
Mit dem vorliegenden Hörspiel vertont Titania Medien erstmals eine Geschichte des deutschen Ingenieurs und Schriftstellers Heinrich Friedrich Wilhelm Karl Philipp Georg Eduard Seidel (25.06.1842 - 07.11.1906).
Seidel studierte zunächst von 1860-1862 Maschinenbau am Polytechnikum in Hannover und ab 1866 an der Gewerbeakademie Berlin, wo er sein Studium als Ingenieur abschloss. Ab 1880 war er dann nur noch als Schriftsteller tätig. Sein bekanntestes Werk ist das Buch "Leberecht Hühnchen", welches aus mehreren Episoden besteht und das Leben eines Studienfreundes des Ich-Erzählers beschreibt. Es folgten ein weiterer Roman, zahlreiche Gedichte, eine Autobiographie ("Von Perlin nach Berlin") und etliche phantastische Geschichten, unter anderem eine SF-Erzählung mit dem Titel "Im Jahre 1984", in der er automatische Restaurants, schnelle interkontinentale Verkehrsverbindungen und extrem individuelle Kleidung vorwegnahm. Darüber hinaus verfasste er zahlreiche Märchen, von denen hier "Der Hexenmeister" die Vorlage bildet. Vermutlich ist diese Geschichte bereits früher erschienen, jedenfalls findet man sie in dem zweibändigen Werk "Wintermärchen", 1901 herausgegeben von Cotta, Stuttgart und Berlin.
Vermutlich wird es den einen oder anderen Hörer ein wenig irritieren, daß man ein "Märchen" als Basis für diese Folge des Gruselkabinetts ausgewählt hat, aber ich kann die Skeptiker beruhigen, es gibt auch etliche gruselige und andere phantastische Elemente, wie sprechende, fühlende Pflanzen oder diverse Spukgestalten. Skriptautor Marc Gruppe hat die literarische Vorlage wie gewohnt sprachlich behutsam modernisiert und etliche heutzutage veraltete Begriffe durch zeitgemäßere ersetzt. So wurden beispielsweise aus den "Gläserchen" "Fläschchen", aus der "Schieblade" wird die "Schublade" und aus dem ursprünglichen "Ungeziefer" geht das "Getier" hervor.
Was mich ein wenig verwundert hat, ist die Tatsache, daß der Begriff "graulich" einmal durch die modernere Form "greulich" ersetzt, ein andermal aber der ursprüngliche Ausdruck beibehalten wurde. Daß Gruppe das "Käppchen von rotem Sammet" hier unter den Tisch fallen ließ, wundert mich hingegegen nicht, verbindet man dieses doch heute einfach zu sehr mit "Rotkäppchen". Zwar finde ich es einerseits ein bisschen bedauerlich, daß im Hörspiel die Beschreibung der Naturgeister fehlt, aber andererseits bleibt dem Hörer so mehr Raum, sich diese Wesen selbst vorzustellen. Ansonsten hält sich der Skriptautor dicht an Seidels ursprüngliche Geschichte. Entsprechend gibt es nur wenige zusätzliche Dialoge und einen kurzen, neuen Abschlußsatz. Daß er Wendelins Hochzeit nicht mit einbezieht, ist für den Verlauf der Handlung absolut unerheblich und wird von mir nur der Vollständigkeit halber erwähnt.
Es sind die Produktion und Regie durch Stephan Bosenius und Marc Gruppe, die aus dem "Märchen" eine würdige und vor allem kurzweilige Gruselgeschichte machen. Wie auch im Medium Film, spielt die Musik hier eine große Rolle. Dafür werden die unterschiedlichsten Instrumente wie Glockenspiel, Harfe, diverse Blas- und Streichinstrumente, bis hin zum Synthesizer verwendet. Die Melodien alternieren zwischen melancholisch und tragend. Der Synthesizer kommt vor allem bei den dramatischen, düsteren Sounds zum Einsatz, die den Hörer an moderne Horrorfilme erinnern. Besonders gelungen finde ich den Choral, der mal unheimlich und mal lieblich klingt. Musikalisch beendet wird das Hörspiel dann mit einer ruhigen, versöhnlich wirkenden Melodie. Ebenso abwechslungsreich wie die Musik, fällt auch die Geräuschkulisse aus. Winkelburg hallt wider vom Gekrächze der Krähen, die Kutsche rumpelt durch die engen Gassen, aber auch harmonischer Vogelgesang kommt zu Gehör. Wie es sich für ein Gruselhörspiel geziemt, knistert ein Feuer im Kamin, der Wind pfeift und heult durch die Mauern, Hunde bellen, die Kirchturmglocke läutet, ein Hahn kräht, und das Rebhuhn gackert aufgeregt.
Nicht ganz so gut gefallen haben mir die beiden Schussgeräusche, da diese sich nicht nach alten Pistolen, sondern nach modernen Waffen anhören. Natürlich wurde auch an die allerkleinsten, vermeintlich unwichtigen Töne gedacht, die das akustische Bild so perfekt abrunden. Ein Streichholz wird entzündet, das Abstellen der Weingläser ist deutlich vernehmbar, und selbstverständlich knarrt jede Tür ein wenig anders.
Highlights sind für mich die Geräusche, welche die seltsamen Pflanzen machen, der klingende Ton bei der Ringübergabe und die Flüssigkeit, die über Wendelin geschüttet wird.
Für die Effekte gibt es unterschiedlichen Einsatz von Hall. Bei der Fahrt durch das Tor schallt das Hufgetrappel, um dessen Enge zu verdeutlichen, und als die Geschichte des Lausebengels erzählt wird, beginnt diese ebenfalls mit leichtem Hall, um dem Hörer klarzumachen, daß sie in der Vergangenheit passiert ist. Der Hall mit dem die Geräusche in Zuckermanns kleinem Haus unterlegt sind, sorgen dafür das bedrohliche Charakter des Anwesens noch verstärkt wird.

Zu den Sprechern:
Dirk Petrick(Wendelin) überzeugt auf ganzer Linie als sehr junger, vom Schicksal gebeutelter Mann. Seine sympathisch klingende Stimme nimmt den Hörer sofort für sich ein, und man teilt automatisch seine Gefühle. Nach der Trauer ist er unsicher, freut sich dann aber über seine neue Stellung, auch wenn er sich ein wenig vor den Gewächsen im Garten fürchtet. Egal ob verängstigt oder zufrieden, Petricks sprecherische Leistung ist immer auf den Punkt. Ebenso großartig agiert auch Bert Stevens(Herr Zuckermahn) in der Rolle des Hexenmeisters. Stevens spricht seinen Text mit harter, leicht rauer Stimme, und sobald er dämonisch lacht, jagt es einem geradezu Schauer über den Rücken. Selbst wenn er freundlich zu sein scheint, bleibt beim Hörer ein Gefühl von Unbehagen zurück. Regina Lemnitz(Wendelins Mutter) liefert ein eindrucksvolles Portrait der älteren Frau und Mutter. Mal raunt sie, dann flüstert sie, schließlich wirkt ihre Stimme brüchig, und sie stößt ihren Text regelrecht hervor. Auch Bodo Primus(Weber) weiß als alter Tuchmacher, der die Gerüchteküche befeuert und sich dabei gruselt, zu gefallen. Lutz Reichert(Graf) macht viel Spaß in seiner Rolle als entschlossener, hinterlistiger Adliger, der sich verrechnet hat. Noch beeindruckender ist aber Thomas Balou Martin(Herr Urian), der Zuckermahn bedrängt und unbarmherzig auf die Erfüllung seines Kontrakts besteht. In weiteren Nebenrollen sind Helmut Zierl (Nachbar) als freundlicher Mitbürger, der nur hinter vorgehaltener Hand flüstert, Edward McMenemy(Lausebengel) als vorwitziger Strolch, sowie Helmut Zierl(Erd-Geist), Bodo Primus(Luft-Geist), Regina Lemnitz(Feuer-Geist) und Lutz Reichert(Wasser-Geist) als fröhliche Verkörperung der vier Elemente, die Wendelins Wünsche erfüllen wollen, zu hören. Besondere Erwähnung verdienen Sigrid Burkholder(Elster Schackerack), die den Vogel mit so heller Stimme intoniert, daß es sich beinahe wie Vogelzwitschern anhört. Zwar veräppelt sie gern den Hund, ist aber auf Wendelins Seite und hilft ihm, wo es nur geht. Gleich in sechs verschiedenen Parts tritt Marc Gruppe auf: er ist der kurz angebundene Passant, der Kutscher, der sich über Winkelburg wundert, der Hund Zipferling, der heiser kläfft, der Servier-Affe, der vor sich hin keckert, das kleine Alräunchen und das amüsierte Heinzelmännchen. Da seine Darbietungen so kurz gehalten und teilweise ohne Text sind, fällt diese Mehrfachbesetzung jedoch gar nicht auf.


Fazit:
Fast 56 Minuten Laufzeit, angefüllt mit phantasievollen, unheimlichen Ereignissen.

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