Rezension: Sherlock Holmes - 60 - Der zehnte Earl

Sherlock Holmes, Jerry Cotton - Kommissare und Detektive ermitteln Psychopaten im Ohr.
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MonsterAsyl
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Rezension: Sherlock Holmes - 60 - Der zehnte Earl

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Sherlock Holmes - 60 - Der zehnte Earl

Zum Inhalt:
Als Dr. Watson zum Essen ins Savoy geht, begegnet er dort zufällig einer alten Bekannten, Lady Kitty Ranelagh. Die frisch Vermählte hat ein Problem. Ihr Gatte, der Earl of Ranelagh, verschweigt ihr etwas. So sehr sie sich auch bemüht, hinter das Geheimnis zu kommen, es gelingt ihr einfach nicht. Erschwerend kommt hinzu, daß scheinbar alle im Haus, die Schwester des Earls, der Hausarzt und sogar der Butler, Bescheid wissen. In ihrer Not bittet sie den Meisterdetektiv Sherlock Holmes um seine Hilfe...

Zur Produktion:
"The tenth Earl", so der englischsprachige Originaltitel der hier als Basis dienenden Kurzgeschichte von Herman Cyril McNeile(28.09.1888 - 14.08.1937), erschien erstmals 1936 in dem Sammelband "Ask for Ronald Standish", herausgegeben von Hodder & Stoughton, London. Dies ist bereits die 23. Vertonung einer Kurzgeschichte von McNeile, und wie schon in den vorangegangenen Folgen, musste Hörspielskriptautor Marc Gruppe, neben den Namen der beiden Hauptfiguren, auch alle "modernen" Erfindungen und Begriffe durch die zur Viktorianischen Zeit üblichen "alten" ersetzen. Das ging allerdings recht schnell, da diesmal lediglich ein Auto vorkommt, welches dann natürlich zur Kutsche wird. Darüber hinaus hat Gruppe noch einige zusätzliche von Dr. Watson gesprochene Monologe und weitere Dialoge eingefügt. Letztere gibt es vor allem am Schluss des Hörspiels. Das Ende an sich fällt hier länger aus, unter anderem durch ein neu geschriebenes Gespräch zwischen Kitty und ihrem Gatten, sowie einer erklärenden Szene, in der alle noch offenen Fragen abgehandelt werden. Interessanterweise hat der Skriptautor aber auch noch ein paar Details geändert. Daß Dr. Watson und Kitty hier Champagner trinken statt einem Cocktail, ist für die Handlung ohne Bedeutung und dem zeitlichen Rahmen geschuldet. Die Mode, Cocktails zu trinken, setzte sich nämlich erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts allmählich durch. Ebenfalls vernachlässigenswert ist die Tatsache, daß der Hausarzt als Begründung für seine Anwesenheit den guten Port des Earls anführt, während er bei McNeile vorbeikommt, um sich ein Haar des Hundes, der ihn gebissen hat, zu besorgen. Ansonsten hat Gruppe noch einige schmückende Adjektive eingefügt, wie z.B. "zauselig" im Zusammenhang mit dem Hausarzt, oder "mehrflammig" in Bezug auf den Kerzenleuchter, den Kitty trägt. Daß das geheime Zimmer hier nicht erwähnt wird, ist nicht weiter schlimm, da es auch in der literarischen Vorlage keine Rolle spielt. Gleiches gilt für den Dry Rot (Trockenfäule), den Gruppe mit dem bekannteren "Hausschwamm" ersetzt hat. Wesentlich interessanter sind die im Hörspiel genannten Daten. Da Gruppe die Handlungszeit in das Jahr 1892 verlegt hat, musste er auch die Jahreszahlen der Grabinschrift entsprechend anpassen. So wurde aus 1895-1905 hier 1848-1858. Selbstverständlich hat man zudem längere Monologe als Spielszenen bzw. Dialoge inszeniert und einige Sätze anderen Figuren in den Mund gelegt, als in der Vorlage. Über den neu hinzugekommenen Verweis auf die kleinen Schuhabdrücke und ob dieser wirklich sinnvoll ist, ließe sich streiten. Einerseits erhöht er zwar das Mysterium, aber andererseits lenkt er den Hörer auch in eine bestimmte Richtung. Unterm Strich kann man jedenfalls festhalten, daß die meisten Veränderungen die Geschichte runder bzw. flüssiger wirken lassen als bei McNeile, und die relativ kurze Laufzeit von ca. 52 Minuten ist ein Beweis dafür, daß die zusätzlichen Dialoge nicht ausufern oder die Geschichte künstlich in die Länge ziehen.
Produktion und Regie liegen in den bewährten Händen von Stephan Bosenius und Marc Gruppe, den genialen Köpfen von Titania Medien. Für die musikalische Untermalung greifen die beiden hauptsächlich auf auf klassische Instrumente wie Geige, Klavier, Bass oder Bratsche zurück, aber auf der Synthesizer kommt zum Einsatz. Neben der stimmigen Titelmelodie hört man im Savoy im Hintergrund leise Pianomusik, an die sich eine weitere Klaviermelodie anschließt.
Die sich steigernde Geigenweise wird bewusst eingesetzt um das Geschehen dramatisch zu unterstreichen, was auch für die Synthesizerstücke gilt. Das elektronische Instrument wird darüber hinaus benötigt, um unheimliche Töne zu erzeugen. Die einzelnen Melodien alternieren zwischen harmonisch und traurig, und zum Ausklang des Hörspiels gibt es noch eine leicht melancholisch anmutende Klavierkomposition.
Highlight ist für mich einmal mehr die ausgezeichnete Geräuschkulisse. Im Savoy wird mit Besteck geklappert, ein Stuhl knarrt, und es knallt der Sektkorken, bevor die Gläser mit prickelndem Champagner gefüllt werden. In der Bakerstreet geht es etwas harmloser zu. Dort wird Tee gereicht, im Hintergrund prasselt ein Kaminfeuer, und die Tür quietscht ein wenig. Holmes pafft ausgiebig an seiner Pfeife, und der Londoner Straßenlärm mit seinen Kutschen und Menschen dringt dezent ans Ohr. Vor dem Anwesen der Ranelaghs sind diverse Nachtvögel zu hören, und auch das beliebte Käuzchen ruft kurz. Außerdem gibt es ein herannahendes Gewitter mit Donnergrollen, bevor der Regen einsetzt und sich das Unwetter noch weiter steigert. Im Stall wiehern die Pferde, und das Stroh knistert leicht unter ihren Hufen. Beim Durchstreifen des Gartens rascheln die Gräser, und selbst so kleine Geräusche wie das Entzünden der Kerze wurden nicht vergessen. Am besten gefallen hat mir jedoch der seltsame, nicht zuordnenbare Schrei, den man während des Sturms hört.
Für die Effekte griff man im Savoy auf leichten Hall zurück, um dessen Größe darzustellen, und das Gespräch, welches Kitty hinter der Bibliothekstür belauscht, klingt leicht dumpf und ist in der Lautstärke herabgesetzt. Daß die Rufe leiser eingespielt werden, unterstreicht die Entfernung der Rufenden zum Hörer, und alles, was im Mausoleum gesagt wird, ist ebenfalls mit einem Halleffekt versehen worden, um dessen Größe und Leere akustisch adäquat herauszustellen.

Zu den Sprechern:
Joachim Tennstedt(Sherlock Holmes) agiert gewohnt neugierig, und natürlich nutzt er jede Gelegenheit, um seinen Freund Dr. Watson ein wenig aufzuziehen. Obwohl er mit Frauen wenig anfangen kann, lobt er Kitty und bedauert, daß er nicht offener handeln kann. Nach seinem Eintreffen bei den Ranelaghs hat er noch einen spöttischen Ton, der sich aber schnell verliert, bevor er dann geradezu schockiert ist von dem, was er erfährt und was ihn nachdenklich zurücklässt. Detlef Bierstedt(Dr. Watson), der auch das Intro spricht, ist einmal mehr absolut großartig als freundlicher, hilfsbereiter Freund Kittys, bei dem man meint, noch einen kleinen Unterton von früherer Verliebtheit herauszuhören. Besonders gut gefallen hat mir sein Hochschrecken aus dem Schlaf. Auch seine Verlegenheit in gewissen Situationen macht ihn sehr liebenswert. Katharina von Keller(Lady Kitty Ranelagh) hat eine wirklich schöne Stimme, die ausgezeichnet zu der verunsicherten jungen Ehefrau passt. Es gelingt ihr, dem Hörer jeweils deutlich zu vermitteln, ob sie gerade erleichtert, verwirrt oder beunruhigt ist. Ihre Verliebtheit in den Earl bringt sie genauso überzeugend rüber, wie ihre Entschlossenheit, dessen seltsamem Geheimnis auf den Grund zu gehen. Ihr Gatte Peter Lontzek(Henry Earl of Ranelagh) wirkt dagegen wesentlich unsympathischer, was vor allem an seinem schroffen, oft ärgerlichen Ton gegenüber seiner sanften Frau liegt. Das Bild, welches der Hörer von ihm hat, relativiert sich aber wieder, sobald er sich für sein Benehmen entschuldigt. Ingeborg Kallweit(Muriel Ranelagh) spielt die Schwester des Earls, die Kitty gegenüber stets freundlich und beruhigend auftritt. Viel Spaß macht Jürgen Thormann(Doktor Frobisher) als Familienhausarzt, der sich gern mal in kleinen Plaudereien ergeht, bevor er dann aber doch einen ersten Ton anschlägt. Sprecherisches Highlight ist für mich aber der unvergleichliche Lutz Mackensy(Butler Weston) in seiner Rolle als höflicher, zuvorkommender, ein wenig unterwürfig wirkender Bediensteter, der auf Grund der dramatischen Ereignisse schließlich sogar anfängt, herzergreifend zu schluchzen.
In einem kleinen Part tritt noch Marc Gruppe(Kellner) als distinguierter, leicht überheblich wirkender Ober auf.

Fazit:
Ein eher ungewöhnlicher, überaus interessanter Fall, bei dem nicht nur der Meisterdetektiv lange im Dunkeln tappt, sondern auch der Hörer.

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