Rezension: Sherlock Holmes - 63 - Der Lumpensammler von Paris

Sherlock Holmes, Jerry Cotton - Kommissare und Detektive ermitteln Psychopaten im Ohr.
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MonsterAsyl
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Rezension: Sherlock Holmes - 63 - Der Lumpensammler von Paris

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Sherlock Holmes - 63 - Der Lumpensammler von Paris

Zum Inhalt:
Monsieur Beaumont, ein alter Freund des Meisterdetektivs, bittet ihn, nach Paris zu kommen, um nach seinem verschwunden Sohn Maurice zu suchen. Scheinbar ein simpler Fall, doch hinter dessen Verschwinden steckt weitaus mehr, wie Sherlock Holmes und sein treuer Begleiter Dr. Watson bald feststellen müssen.

Zur Produktion:
Mit dem vorliegenden Hörspiel beginnt bei Titania Medien eine neue Phase. Nachdem alle Geschichten von Herman Cyril McNeile vertont sind, startet das Label nun mit Vorlagen aus der deutschen Heftromanreihe "Aus den Geheimakten des Welt-Detektivs", welche von Januar 1907 bis Juni 1911 im Berliner Verlagshaus für Volksliteratur und Kunst erschien. Die Reihe brachte es auf insgesamt 230 Hefte, wobei der ursprüngliche Titel der Romanserie "Detectiv Sherlock Holmes und seine weltberühmten Abenteuer" lautete. Aufgrund von Rechtsstreitigkeiten musste der Verlag sie ab Band 11 in "Aus den Geheimakten des Welt-Detektivs" umbenennen. Spätere Nachdrucke der ersten 10 Ausgaben trugen dann ebenfalls
diese Überschrift. Die Romanhefte erschienen wöchentlich und umfassten jeweils 32 zweispaltig gedruckte Seiten. Interessanterweise startet Titana Medien nicht mit dem ersten, sondern dem 26. Band. Das spielt aber keine Rolle, denn die Geschichten sind ja alle in sich abgeschlossen, und die beiden Hauptfiguren bedürfen keiner Einführung. Aus mir unbekannten Gründen wurde in der Heftromanserie jedoch statt Dr. Watson eine andere Figur namens Harry Taxon an die Seite des Meisterdetektivs gestellt. Für die Hörspieladaption hat Skriptautor Marc Gruppe dies natürlich korrigiert und die Namen entsprechend ausgetauscht. Doch ist das nicht die einzige Veränderung gegenüber der literarischen Vorlage, denn neben Harry Tuxon wurden noch einige andere Namen abgeändert. So wurde beispielsweise aus "Bontou" der gefälligere "Beaumont", aus "Lola" "Louna", und statt von "Oberst Lincoln", ist von "Colonel Bancroft" die Rede. Daß Holmes hier in seiner Verkleidung als "Francis Drake" auftritt, statt als "Walther Raleigh", ist vermutlich als kleiner Scherz des Hörspielautors zu verstehen. Darüber hinaus gibt es noch weitere Abänderungen gegenüber der ursprünglichen Geschichte.
Da Dr. Watson ja eigentlich nicht vorkommt und stattdessen der junge "Sidekick" Harry Taxon Holmes begleitet, sah sich Marc Gruppe gezwungen, eine neue, jüngere Figur namens Montgomery Holmes, einen Neffen des Meisterdetektivs, mit in die Geschichte zu integrieren, damit sie inhaltlich wieder funktioniert. Außerdem wird Holmes hier von Monsieur Beaumont im Westminster Hotel einquartiert, während er bei Amy Onn, übrigens einem Anagram von "Anonym", selbst im Grand Hotel eincheckt. Daß Marc Gruppe den Reiseveranstalter "Cook Reisen" nicht erwähnt, ist nachvollziehbar, denn warum sollte man Werbung für einen immer noch existierenden Urlaubsanbieter machen? Wie bei solchen alten Vorlagen üblich, hat der Skriptautor auch die Sprache ein wenig modernisiert. So heißt es beispielsweise hier "Leichenbeschauer" statt "Gerichtsärzte", aus "ehrerbietig" wird "respektvoll" und aus dem "Kassendiener" der heutzutage übliche "Kassierer". All diese Umformulierungen spielen für den Handlungsablauf natürlich keine Rolle und werden nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Es gibt allerdings auch inhaltliche Unterschiede. So beginnt der Roman mit einem Mord, bei dem der Leser sofort weiß, wer der Täter ist. Vernünftigerweise hat Marc Gruppe diesen Anfang komplett weggelassen, allein schon, um die Spannung zu erhalten. Ferner ist die Figur des Francois Giradin ursprünglich ein Monteur, hier aber Hotelangestellter. Dieser "Berufswechsel" erfolgt natürlich nur, damit die Figur leichter mit dem Meisterdetektiv in Kontakt treten kann. Etwas bedauerlich finde ich, daß die unterschwelligen, ein wenig anzüglichen Aspekte der Geschichte so entschärft wurden. Hier gibt es keine "Schule der Frauen", und aus der "Dirne" wird eine "Prostituierte". Ebenso schade ist es, daß der "Schattenanzug" vollkommen unter den Tisch fällt und das Auffinden des Büchleins stark verkürzt dargestellt wird. Wirklich prägnant ist aber die Tatsache, daß eine der Figuren hier einen Herzinfarkt erleidet, statt, wie in der Vorlage, erdrosselt zu werden. Wie bei diesen Adaptionen üblich, wurden einige unwesentliche Passagen gekürzt und durch selbst geschriebene ersetzt. Das wird besonders zu Beginn des Hörspiels deutlich, denn das lange Introgespräch ist vollkommen neu, genau wie die wesentlich längeren, aber auch besseren Erörterungen des Falles zum Ende des Hörspiels. Zusätzlich erfährt der Hörer auch noch das Schicksal eines der Protagonisten. Während ich das neu geschriebene Intro ziemlich belanglos und auch zu lang fand, hat mir der sehr viel nachvollziehbarere Schluss richtig gut gefallen. Hätte man die zusätzlichen Dialoge weggelassen, wäre man wohl auch mit einer CD und einer Laufzeit weit unter den nun ca. 114 Minuten ausgekommen.
Produktion und Regie von Stephan Bosenius und Marc Gruppe lassen beim Hörer keine Wünsche offen. Jede einzelne Szene ist mit einer Vielzahl unterschiedlichster Geräusche versehen. Zu Beginn des Hörspiels fährt eine Kutsche vor, das kleine Tor vor der Bakerstreet quietscht etwas beim Öffnen, und im Hintergund sind die vorbeieilenden Passanten zu hören. Im Büro von Monsieur Beaumont knarren die Stühle, und während des Gesprächs zwischen Vater und Sohn prasselt ein Kaminfeuer. Der Tür zum Polizeiarchiv hört man an, daß es sich um ein wuchtiges Modell handelt, und sobald die Charaktere auf den Pariser Straßen unterwegs sind, sind Hufgetrappel und die für eine Kutsche üblichen Töne zu vernehmen. Besonders gut gefallen mir ja immer die kleinen, scheinbar unwichtigen Geräusche, die das Ganze aber erst rund machen. So ist die Hotelglocke am Empfang ebenso deutlich zu hören, wie das Rühren in den Tassen und das Ablegen des Löffels. Highlight ist für mich aber das Rasseln der Ketten, dem man fast schon anhören kann, daß sie rostig sind. Mindestens ebenso gut ist auch die musikalische Untermalung, bei der vor allem Klavier und Geige, aber auch eine Ziehharmonika und der Synthesizer zum Einsatz kommen. Auf die bekannte Titelmelodie folgt eine kurze, heiter anmutende Zwischenmusik. Den Bericht von Monsieur Beaumont unterstreicht ein Klavierstück, das stellenweise leicht bedrohlich anmutet. Während des Spaziergangs durch Paris erklingt ein französisch angehauchtes Ziehharmonikamotiv, und Disc 2 startet mit einem dramatischen Orchesterspiel. Anschließend wird dann auch der Synthesizer mit düsteren, sich steigernden Tönen eingespielt, und zum Ausklang gibt es noch eine versöhnlich wirkende Klavierweise. Die Effekte sind spärlich gesät, in der Vorhalle der Bakerstreet, des Hotels und im Büro von Monsieur Beaumont sind die Stimmen mit leichtem Hall versehen.

Zu den Sprechern:
In der Eröffnungsszene agiert Joachim Tennstedt(Sherlock Holmes) hektisch, wütend und vor allem sehr rechthaberisch. Das passt natürlich zu dem egozentrischen Wesen des Meisterdetektivs, ist hier aber so massiv, daß er beinahe unsympathisch wirkt. Dieser Eindruck wird später durch sein ungnädiges Verhalten gegenüber einem Polizisten sogar noch verstärkt. Highlight seiner Darstellung ist aber mit Sicherheit sein Besuch bei Louna, da er dort seine Stimme leicht verstellt und sich vollkommen atypisch verhält. Detlef Bierstedt(Dr. Watson), der auch als Erzähler fungiert, hat es in dieser Folge wirklich nicht leicht. Erst wird er von Mrs Hudson derart angefahren, daß er nur noch verlegen, ja benahe hilflos vor sich hin stammeln kann, bevor sein diplomatisches Geschick wieder die Oberhand gewinnt. Dann muss er sich später auch noch darüber ärgern, daß Holmes es einfach vergisst, ihn bei Montgomery Holmes vorzustellen. Die Haushälterin des detektivischen Duos, Regina Lemnitz(Mrs. Hudson), agiert wie gewohnt sehr resolut. Mit deutlichen Worten beschwert sie sich bei Dr. Watson, bevor sie schließlich auch noch anfängt zu weinen. Meiner Meinung nach ist die doch recht derbe Sprache ("Setzen Sie ihn mal auf den Pott!") ein wenig übertrieben, insbesondere, wenn wenn man den sozialen Stand der bei Conan Doyle immer sehr höflichen und eher betulichen Mrs Hudson bedenkt. Umso mehr Spaß macht es dann aber, als sie sich verlegen und überaus zögerlich bei Holmes entschuldigen muss. Julian Tennstedt(Montgomery Holmes) spielt den jungen, freundlichen, überaus sympathisch daherkommenden Neffen von Sherlock Holmes mit großer Bravour. Gleiches gilt auch für Thomas Balou Martin(Monsieur Beaumont), den Seniorchef von Beaumont Frère, der den älteren Mann mit heiserer Stimme intoniert. Es ist einfach großartig, wie er sich in Rage redet und sein Gegrummel macht dem Wort wirklich Ehre. Louis Friedemann Thiele(Maurice Beaumont) glänzt in der Rolle seines Sohnes, dem man die Begeisterung für seine Frau förmlich anhört. Gegen Ende des Hörspiels darf er nochmal zeigen, was er kann, denn passend zur Situation stößt er seinen Text regelrecht hervor. Sprecherischer Höhepunkt ist für mich aber Sigrid Burkholer(Louna Beaumont), die zwar mit verführerischer Stimme spricht, ihre Sätze aber mit Schnippischkeit und ein wenig Arroganz garniert, und so ihre Rolle als charmante Frau relativiert. In weiteren Nebenrollen sind noch Dirk Petrick(Francois Giradin) als verzweifelter Hotelangestellter, der Holmes' Hilfe dringend benötigt, Helmut Zierl(Monsieur Augustin) in der Rolle des Holmes' bekannten französischen Polizisten, Bodo Primus(Wirt) als zerknirschter Kneipier und Clara Fischer(Zofe) als zuvorkommendes Dienstmädchen zu hören. Der Auftritt von Marc Gruppe(Kutscher) als Fuhrmann fällt extrem kurz aus, und man muss schon genau hinhören, um ihn nicht zu verpassen.

Fazit:
Vielversprechender, wenn auch ein wenig zu lang geratener Auftakt, der Lust auf mehr Geschichten von "Amy Onn" macht.

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