Rezension: Sherlock Holmes - 19 - Der Daumen des Ingenieurs

Sherlock Holmes, Jerry Cotton - Kommissare und Detektive ermitteln Psychopaten im Ohr.
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MonsterAsyl
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Rezension: Sherlock Holmes - 19 - Der Daumen des Ingenieurs

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Sherlock Holmes - 19 - Der Daumen des Ingenieurs

Zum Inhalt:
Eines Morgens kommt ein junger Mann namens Victor Hatherley in Dr. Watsons Praxis. Er hat gerade einen Daumen eingebüßt, und da er nicht zur Polizei gehen will, empfiehlt ihm Dr. Watson nach der Behandlung einen Besuch bei seinem Freund Sherlock Holmes. Es stellt sich heraus, daß Heatherley ein bisher recht erfolgloser Ingenieur ist, der sich aufgrund seiner angespannten finanziellen Situation gezwungen sah, einen äußerst fragwürdigen Auftrag anzunehmen.

Zur Produktion:
Mit "The Adventure of the Engineer's Thumb", einer Erzählung, die erstmals im März 1892 im Strand Magazine veröffentlicht wurde, hat Titania bereits drei Viertel der Geschichtensammlung "The Adventures of Sherlock Holmes" vertont. Diese Story weicht direkt in zwei Punkten von Doyles üblichem Schema ab. Zum einen ist es eines der seltenen Male, wo Watson einen potentiellen Klienten zu seinem Freund bringt, statt daß dieser sich direkt an den Meisterdetektiv wendet, und zum anderen handelt es sich um einen der wenigen Fälle (wie schon bei "Die fünf Orangenkerne" (17)),
bei dem es Holmes nicht gelingt, die Täter der Gerechtigket zuzuführen. Wenn man sich die Erzählung heutzutage anhört, mag es zunächst verwundern, daß sich Hatherley auf eine dermaßen windige Angelegenheit einlässt, aber sobald man berücksichtigt, daß die versprochenen 50 Guineen damals einem heutigen Gegenwert von ca. 4000 britischen Pfund entsprachen, wird seine Motivation schon wesentlich verständlicher.
Wer die Reihe regelmäßig verfolgt, weiß, daß Hörspielautor Marc Gruppe immer ziemlich dicht an Doyles literarischer Vorlage bleibt, nicht ohne jedoch gewisse Änderungen vorzunehmen, welche teilweise dem Medium geschuldet sind. So werden Dialoge gelegentlich von anderen Personen gesprochen, als in der ursprüngliche Geschichte, oder Details, die nicht handlungsrelevant sind, in den Beschreibungen weggelassen. Zum Ausgleich dafür gibt es meist noch einen kurzen, manchmal humoristischen Epilog, der so bei Doyle nicht zu finden ist. Daß Gruppe das Hausmädchen von Watson durch dessen Frau ersetzt, rückt diese mehr in den Fokus (bei Doyle taucht sie erst gar nicht auf) und stört den eigentlichen Ablauf nicht. Allerdings wirkt ihr Verhalten für diese Epoche recht unangemessen, aber das gilt auch für die herrische Haushälterin Mrs. Hudson. Heutzutage ist es natürlich absolut richtig, Frauen möglichst selbstbewusst und ohne Standesdünkel darzustellen, aber wenn es um Großbritannien Ende des 19.Jahrhunderts geht, trübt ein solches Verhalten für mich jedesmal etwas das ansonsten sehr gelungene Abbild jener Tage. Warum Marc Gruppe sich entschlossen hat, den deutschen Hintergrund der Verbrecher so vollständig zu streichen, erschließt sich mir nicht ganz. Sicher, für den eigentlichen Handlungsverlauf ist dieser Punkt nicht weiter relevant, aber da Doyle ihn immer wieder anspricht, dürfte er ihm wohl wichtig gewesen sein, was natürlich auch etwas über das damalige Verhältnis beider Länder aussagt. Sehr viel nachvollziehbarer ist da die Namensänderung des Inspektors von Bradstreet in Abberline. Gruppe greift hier die von ihm bereits in der ersten Folge (Im Schatten des Rippers) der Reihe eingeführten Figur des Frederick Abberline(08.01.1843-10.12.1929) zurück, der im realen Leben die Ripper-Morde bearbeitete. Rätselhaft bleibt mir, warum die seltsame Kutschfahrt des Ingenieurs bei Gruppe auf Holmes' Nachfrage als ruhig bezeichnet wird, während er bei Doyle von einer holprigen Fahrt spricht. Trotz all dieser Kritikpunkte hat mir die Art und Weise, wie Gruppe die Geschichte an sich erzählt, sehr gefallen. Geradezu genial finde ich, wie es ihm und Stephan Bosenius gelungen ist, nur mit Hilfe von entsprechenden Regieanweisungen an den Sprecher, dem Hörer akustisch den Seelenzustand des Ingenieurs zu vermitteln. Das Ganze kann man wie immer im Internet unter http://en.wikisource.org/wiki/The_Adven ... %27s_Thumb im englischen Original nachlesen.
Die Produktion an sich ist wieder einmal rundum gelungen. Viele kleine Geräusche des täglichen Lebens, wie das Klappern des Geschirrs, Pferdewiehern oder das Ratten des Zuges, illustrieren das Geschehen, und auch musikalisch geht es sehr abwechslungsreich zu. Neben der wohlklingenden Titelmelodie, die sich genau so anhört, wie eines der Stücke, die zu jener Epoche in den Musikpavillons gespielt wurden, hat man auch langgezogene, düstere Synthesizertöne verwendet. Einige Sequenzen sind dezent mit Geigenmusik unterlegt und eine der Zwischenmelodien erinnert an eine fröhliche US-TV-Serienmusik. Entsprechend der literarischen Vorlage, bedarf es keines großen Effekteeinsatzes, lediglich in der Szene hinter der Tür werden die Stimmen mittels eines Filters leicht gedämpft.


Zu den Sprechern:
Joachim Tennstedt(Sherlock Holmes) und Detlef Bierstedt(Dr. Watson) spielen ihre Rollen gewohnt souverän. Der eine als freundlicher, allen anderen geistig überlegener Meisterdetektiv, der andere als Erzähler und treuer Begleiter, auf dessen Kosten der eine oder andere Witz gemacht wird. Regina Lemnitz(Mrs. Hudson) tritt einmal mehr dermaßen resolut auf, daß sie sogar die Ermittlungen ins Stocken bringt. Ähnlich bestimmend, wenn auch mit einem freundlicheren Ton, agiert Janina Sachau(Mary Watson) als mitfühlende Frau des Doktors. Sprecherisches Highlight ist aber für mich Patrick Bach(Victor Hatherley), der titelgebende Ingenieur, auch wenn seine Stimme vielleicht ein wenig zu alt klingt für einen angeblichen Mittzwanziger. Er ist einfach großartig in diesem Part, den er auf den Punkt genau intoniert. Zu Beginn wirkt sein Vortrag noch ganz gefasst, aber sobald er sich seiner Wunde gewahr wird, bekommt seine Stimme einen hysterischen Klang. Beinahe ebenso gut hat mir Altmeister Lutz Mackensy(Lysander Stark) gefallen. Obwohl er seinen Text eher ruhig und bedächtig spricht, ist da doch immer ein drohender Unterton in seiner Stimme, der verdeutlicht, auf welcher Seite des Gesetzes er steht. Gleiches gilt auch für Andreas Mannkopf(Mr. Ferguson), der die Maske des Biedermannes ganz schnell fallen lässt und dessen quäkende Stimme geradezu vor Boshaftigkeit trieft. Arianne Borbach(Elise) gefällt als verängstigte junge Frau, die alles daran setzt, Hatherley zu helfen, und Christian Stark(Inspektor Abberline) spielt den Polizeibeamten mit leicht süffisantem Unterton. Peter Reinhardt ist der auskunftsfreudige Stationsvorsteher mit der rauen Stimme, und Hasso Zorn(Kutscher) hat mal wieder einen Kurzauftritt als Fuhrwerklenker.


Fazit:
Solide Hörspieladaption von Conan Doyles gleichnamiger Geschichte.

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