Rezension: Sherlock Holmes - 32 - Der griechische Dolmetscher

Sherlock Holmes, Jerry Cotton - Kommissare und Detektive ermitteln Psychopaten im Ohr.
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MonsterAsyl
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Rezension: Sherlock Holmes - 32 - Der griechische Dolmetscher

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Sherlock Holmes - 32 - Der griechische Dolmetscher

Zum Inhalt:
Eigentlich ist Doktor Watson bisher immer davon ausgegangen, der große Intellekt seines Freundes Sherlock Holmes sei einzigartig. Umso mehr erstaunt es ihn, als der Meisterdetektiv ganz nebenbei erwähnt, er habe einen Bruder namens Mycroft, dessen geistige Fähigkeiten noch weit über den seinen lägen.
Da Watson diesen ominösen Bruder kennenlernen möchte, beschließen die beiden, zum "Diogenes-Club" zu gehen, dem bevorzugten Aufenthaltsort von Mycroft.
Dort angekommen, stellt ihnen dieser seinen Nachbarn Mr. Melas, einen griechischen Übersetzer, vor, der von einem sehr ungewöhnlichen Erlebnis berichten kann. Das Interesse des Meisterdetektivs ist sofort geweckt.

Zur Produktion:
"The Adventure of the Greek Interpreter", so der englische Originaltitel der hier zugrundeliegenden Geschichte von Sir Arthur Conan Doyle(22.05.1859-07.07.1930), erschien zunächst im September 1893 in der britischen Publikation "The Strand Magazine". Knapp ein Jahr später wurde sie dann noch einmal innerhalb des Sammelbandes "Die Memoiren des Sherlock Holmes" veröffentlicht.
Dies ist die erste Geschichte, in der Doyle Sherlock Holmes' cleveren Bruder auftauchen lässt und das gleich mit der Eingangsbemerkung, Mycroft sei sogar noch klüger als der weltbekannte Detektiv. Er wird der so entstandenen Erwartungshaltung seiner Leser aber mehr als gerecht, denn er liefert ihnen ein wahres "Deduktionsduell" zwischen den beiden ungleichen Brüdern, aus dem Mycroft tatsächlich als Sieger hervorgeht.
Diese Szene hat Skriptautor Marc Gruppe natürlich komplett für seine Hörspieladaption übernommen. Wie man es von ihm gewohnt ist, bleibt Herr Gruppe wieder so nah wie möglich an der literarischen Vorlage, allerdings hat er einige kleinere inhaltliche Veränderungen vorgenommen. Schon die Eröffnungsszene fällt hier sehr viel kürzer aus als bei Doyle, beispielsweise fehlt der Verweis auf Holmes' Beziehung zum weiblichen Geschlecht. Dies ist aber für den Fortgang der Handlung absolut unerheblich, und außerdem kann der Hörer so auch schneller in den aktuellen Fall einsteigen.
In den folgenden Szenen wurden nur wenige Gespräche hinzugefügt, bzw. Monolge in Dialoge gewandelt. Sehr geschickt finde ich zudem die Stückelung und Aufteilung einzelner Sätze auf mehrere Personen, da dies der Unterhaltung noch eine zusätzlich Dynamik verleiht. Im Lauf der Geschichte geht es unter anderem um Texte, welche mit Kreide auf eine Tafel geschrieben werden. Liest man die Vorlage, ist das natürlich kein Problem. Um die Informationen, so wie hier, aber auch akustisch präsentieren zu können, blieb Marc Gruppe nichts anderes übrig, als sie Melas erzählen zu lassen. Dies gilt auch für den Dialog zwischen Melas und dem Stationsvorsteher, dessen Mini-Part man sich womöglich sparen wollte, zumal seine Aussagen auch nicht sonderlich relevant sind.
Daß die Figur des Inspektor Gregson wieder einmal durch die des Inspektor Lestrade ausgetauscht wurde, spielt inhaltlich ebenso wenig eine Rolle, wie der hier fehlende Hinweis zu Holmes' Revolver. Nicht ganz gelungen finde ich, daß der Meisterdetektiv in der Hörspielfassung das Fenster der Villa bereits offen vorfindet, statt es, wie im Original, selbst aufzubrechen. So entfällt nämlich auch der bei Doyle vorhandene Hinweis, wie gut es doch sei, daß Holmes auf der richtigen Seite des Gesetzes stehe.
Um die Geschichte nicht genauso trocken zu beenden wie der Autor, hat Marc Gruppe die Beteiligten nochmals zusammenkommen lassen und Doktor Watsons abschließende Anmerkungen zu dem Fall in entsprechende Dialoge umgeschrieben. Bedauerlicherweise handelt es sich bei diesem wirklich spannenden, interessanten Fall erneut um einen, dessen Abschluss meiner Erwartung nicht entspricht, da Doyle die Verbrecher mit ihrer Geisel entkommen lässt und deren weiteres Schicksal in einem Satz abhandelt. Aber das ist natürlich mein Problem, denn ich begrüße es ja ausdrücklich, daß Herr Gruppe so wenig wie möglich in den Text eingreift.
Wer die Geschichte noch einmal auf Englisch nachlesen möchte, findet sie im Internet unter https://en.wikisource.org/wiki/The_Memo ... nterpreter.
Daß man sich bei dieser Serie sofort zu Hause fühlt, liegt nicht zuletzt an der eingängen Titelmusik, die jede Folge eröffnet. Ich mag die Melodie sehr gern, da sie auch in Bezug auf die Instrumentenauswahl (Klavier und Geige) hervorragend zu den Kriminalgeschichten aus viktorianischer Zeit passt.
Neben diesem Stück gibt es noch ein weiteres, welches inzwischen zum Standardrepertoire der Reihe gehört. Dabei handelt es sich um eine kleine, fröhliche Weise, die eingespielt wird, wenn sich das Ermittlerduo erstmals auf den Weg macht.
Daß neben klassischen Streichinstrumenten und der Flöte auch ein Synthesizer zum Einsatz kommt, ist absolut kein Stilbruch, ganz im Gegenteil! Die düsteren Sounds verstärken unterschwellig das Gefühl der Bedrohung.
Neben der perfekten Musikauswahl, beweisen die Produzenten und Regisseure Stephan Bosenius und Marc Gruppe auch diesmal wieder ihr Gespür für eine adäquate Geräuschkulisse. Mit Ausnahme der Sequenzen im "Diogens-Club", wo Schweigen und ruhiges Verhalten oberstes Gebot sind und man allenfalls Kleiderrascheln oder Stühlerücken zu hören bekommt, wurde jede Szene mit einer Vielzahl unterschiedlichster Geräusche unterlegt. Besonders beeindruckend finde ich die akustische Nachbildung der Londoner Straßenathmosphäre mit ihrem Stimmengewirr, den vorbeifahrenden Pferdekutschen und den lärmenden Kindern. Auch die holprige Kutschfahrt von Mr. Melas wirkt, dank der sehr authentisch klingenden Droschkengeräusche, extrem eindrucksvoll.

Zu den Sprechern:
Da ein nicht unwesentlicher Teil der Handlung in dem bereits erwähnten "Diogenes-Club" spielt, wurden alle Sprecher angewiesen, möglichst leise zu reden bzw. zu flüstern. Aus diesem Grund erscheint mancher auch etwas heiserer als gewohnt. Joachim Tennstedt(Sherlock Holmes) wirkt ungewöhnlich gut gelaunt, und es macht ihm hörbar Spaß, sich mit seinem "Bruder" zu messen. Thomas Balou Martin(Mycroft Holmes) gehört zu den Sprechern, deren Stimme noch rauer klingt als sonst. Martin ist toll in der Rolle des gemächlichen älteren Bruders, der Sherlock auch mal tadelt. Seine in der Kurzgeschichte ursprünglich nicht vorhandene Unsicherheit in Bezug auf das eigene Handeln, lässt den Charakter sympathischer wirken als bei Doyle. Detlef Bierstedt(Dr. Watson) ist ja ohnehin dazu verurteilt, stets aufs Neue über seinen Freund und dessen Schlussfolgerungen staunen zu müssen, aber hier übertrifft er sich selbst. Das beginnt schon mit dem Verschlucken am Tee, als Holmes ihm von seinem Bruder erzählt und gipfelt in seiner überragend gespielten Verblüffung während des "Deduktionsduells". Georg Tryphon(Mr. Melas) überzeugt als titelgebender, von den Gangstern eingeschüchterter Dolmetscher, und seine Aussprache der griechischen Sätze hört sich für mich tadellos an. Timmo Niesner(Harold Latimer) spricht mit dermaßen sympathischer Stimme, daß man als Hörere genauso von seiner plötzlichen Grobheit überrascht wird, wie der entführte Melas. Helmut Winkelmann(Wilson Kemp) dagegen macht aus der Gesinnung seiner übellaunigen Figur von Anfang an kein Geheimnis, denn die mühsam unterdrückte Wut und Aggression sind mit jedem Wort präsent. In weiteren Nebenrollen sind noch Sascha von Zambelly(Pavlos Kratides) als misshandelter und größtenteils geknebelter junger Grieche, Annina Braunmiller-Jest(Sophia Kratides) als seine entsetzte, vor Wut tobende Schwester und Kathryn McMenemy(Portiersfrau) in der Rolle der neugierigen und ob der ungewohnten Aufmerksamkeit leicht verwirrten Hausmeisterin zu hören. Der Auftritt von Lutz Reichert(Inspektor Lestrade) als viel zu oberflächlich arbeitender Polizeibeamter, bleibt auf wenige, zudem noch gestotterte Anmerkungen beschränkt.

Fazit:
Erstklassige Hörspieladaption der Kurzgeschichte.

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