Rezension: Sherlock Holmes - 43 - Der Zuträger

Sherlock Holmes, Jerry Cotton - Kommissare und Detektive ermitteln Psychopaten im Ohr.
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MonsterAsyl
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Rezension: Sherlock Holmes - 43 - Der Zuträger

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Sherlock Holmes - 43 - Der Zuträger

Zum Inhalt:
Sherlock Holmes ist verzweifelt. Sein guter Freund Sir Archibald Maitland ist in die Fänge des gerissensten Erpressers Londons, eines gewissen Richard Mordon, geraten. Dieser hat sich einen kompromittierenden Brief verschafft, den Maitland unbedingt wiederhaben muss. Um dem Adligen zu helfen, bleiben dem Meisterdetektiv nur noch zwei Tage Zeit, doch ihm fehlt ein cleverer Plan, wie er in den Besitz des Schreibens gelangen könnte. Als Holmes seinem Freund und Chronisten Watson die Sache schildert, macht dieser eine Bemerkung, die den Detektiv auf eine Idee bringt...

Zur Produktion:
Nach Sherlock Holmes 34,36,37,38,39,40,& 42, ist dieses Hörspiel bereits die achte Vertonung einer Geschichte aus der Feder des britischen Soldaten und Schriftstellers Herman Cyril McNeile (28.09.1888 - 14.08.1937), und wie seine Vorgänger stammt auch die hier als Vorlage dienende Geschichte "The Man with Samples", so der englischsprachige Originaltitel, aus dem 1933 erschienenen Kurzgeschichten-Sammelband "Ronald Standish". Daß Ronald Standish und sein Freun Bob Miller eindeutig als Kopien von Sherlock Holmes und Dr. Watson geschaffen wurden, ist ja längst kein Geheimnis mehr, und es sind gerade diese Ähnlichkeiten, welche die Kurzgeschichten dazu prädestinieren, in Sherlock Holmes-Abenteuer umgeschrieben zu werden. Natürlich kann McNeile letztlich Doyle nicht das Wasser reichen, was die Originalität der Fälle angeht, aber viele seiner Stories sind von Aufbau und Duktus dem großen Vorbild so verwandt, daß sie allemal als neue Erlebnisse des Meisterdetektivs durchgehen. Wer mit Doyles Werk vertraut ist, dem fällt bereits anhand der Inhaltsangabe die Ähnlichkeit zu "Charles Augustus Milverton" auf, bei dem es ebenfalls um eine infame Erpressung geht, ausgeführt vom Köng der "Blutsauger". Hier wie dort bringt der gerissene Kriminelle den ermittelnden Detektiv so in Rage, daß er bereit ist, selbst zum Verbrecher zu werden, um diesem das Handwerk zu legen. Da "Titania Medien" bereits im Jahr 2006 "Der Fall Milverton" vertont hat, zu dem Skriptautor Marc Gruppe ebenfalls das Drehbuch verfasste, sind ihm die frappierenden Übereinstimmungen selbstverständlich auch aufgefallen, und so lässt er es sich nicht nehmen, innerhalb seines Skriptes auf die bekannte Vorlage zu verweisen. Trotz der aufgeführten Gemeinsamkeiten, handelt es sich hier aber letztendlich doch um eine eigenständige Geschichte, die darüber hinaus von Gruppe noch zusätzlich ein wenig verändert worden ist. So wurden beispielsweise etliche längere Textpassagen in Dialoge aufgeteilt bzw. zu gespielten Szenen umgeschrieben, was den Ablauf wesentlich flüssiger gestaltet als bei McNeile. Außerdem hat Gruppe einige Details leicht überarbeitet.
Statt von "5 bis 10.000 Pfund" ist hier von "beliebig großen Summen" die Rede, und aus der antiquierten englischen Zeitangabe "this day week" sind die uns wesentlich verständlicheren "2 Tage" geworden. Solche Änderungen spielen für das Geschehen selbstverständlich keine Rolle, während andere da schon etwas mehr ins Gewicht fallen. Mir ist zum Beispiel schleierhaft, warum Gruppe aus dem "Mastiff" dessen genetischen "Nachfahren", die "Dogge" gemacht hat. Meiner Erfahrung nach sind Doggen zwar groß, aber im Vergleich völlig harmlos. Auch wundert es mich, daß er den Verweis auf das Adelsregister "Debrett" unter den Tisch fallen lässt, obwohl sich Holmes bei Doyle zum Zweck der Recherche auch regelmäßig eines ähnlichen Werkes bedient. Daß aus dem ursprünglichen "Bluff" hier "austricksen" wurde, ist schon eher nachvollziehbar, da letzterer Begriff wesentlich mehr beinhaltet und nicht schon so viel verrät. Die inneren Monologe Mordons, die vor allem seine Überheblichkeit unterstreichen, fehlen hier vollständig. Zurecht verlässt sich der Skriptautor dabei auf den Sprecher des Richard Mordon, Joachim Kerzel, dem es gelingt, diese negative Charaktereigenschaft allein durch sein ausdrucksstarkes Spiel zu vermitteln. Wirklich überrascht hat mich ein Detail ganz am Schluß des Hörspiels. Das Ende scheint zunächst identisch mit dem der literarischen Vorlage zu sein, aber die Benennung der Verantwortlichen für das, was Mordon und seinem Butler passiert, gibt es nur im Hörspiel. Mir hat Gruppes knapp 59 minütige Hörspieladaption viel Spaß gemacht. Wer nun an McNeiles Version interessiert ist und selbst Vergleiche anstellen möchte, findet sie im Internet im englischsprachigen Original unter http://gutenberg.net.au/ebooks06/0607761h.html#story10.
Auf die musikalische Untermalung legen die Produzenten und Regisseure Stephan Bosenius und Marc Gruppe ja immer allergrößten Wert, und das ist hier nicht anders. Neben dem bekannten wohlklingenden Leitmotiv im Intro, bei dem Geige und Klavier vorherrschen, besteht die restliche Musik vornehmlich aus unheilvollen Melodien, wie man sie von alten Kriminalfilmen her kennt. Die zwischendurch eingespielten düsteren Sounds, welche die latente Bedrohung durch Mordon konstant akzentuieren, stammen hingegen allesamt vom Synthesizer. Wie sehr die einzelnen Stücke die Stimmung einer Szene beeinflussen, wird unter anderem anhand der lustigen kleinen Weise deutlich, die eingesetzt wird, um Watsons Verblüffung zu unterstreichen. Zum Schluß ertönt dann noch ein versöhnlich wirkendes Musikstück, bei dem es sich um eine Variante bzw. Fortsetzung der im Intro-Melodie handelt.
Es ist schon erstaunlich, wie viele unterschiedliche Geräusche man hier zu hören bekommt, obwohl die Handlung nur in geschlossenen Räumen abläuft. Jede Tür quietscht oder knarrt unterschiedlich, und die Massivität der Tresortür wird allein durch deren Ton beim Öffnen oder Schließen verdeutlicht. Auch alle anderen Töne wurden sorgfältig ausgewählt, um die einzelnen Szenen lebendiger wirken zu lassen. Im Kamin knistert das Feuer, der metallene Schraubverschluß einer Cognacflasche ist zu hören und selbst das Geräusch, welches beim Zählen von Geldscheinen entsteht, wurde nicht vergessen. Akustisches Highlight ist für mich aber das hörbare Auflodern der Flammen bei dem Verbrennen der Briefe. Einzig den meiner Meinung nach zu laut eingespielten heulenden Wind im Büro Mordons, empfinde ich als etwas übertrieben. Wenn es dort dermaßen ziehen würde, hätte der wohlhabende Bewohner garantiert etwas dagegen unternommen. Um die Räumlichkeiten bzw. die Position des jeweiligen Protagonisten innerhalb selbiger darzustellen, kommen etliche Effekte zum Einsatz. Das Klopfen an einer Tür oder das Gespräch zwischen mehreren Figuren wird beispielsweise leiser eingespielt, um die räumliche Entfernung zu verdeutlichen. Im Büro von Mordon sind alle Stimmen mit einem leichten Hall unterlegt, um die Größe des Zimmers zu unterstreichen. Sätze, welche hinter einer Tür gesprochen werden, klingen entsprechend dumpf.
Es ist diese Detailverliebtheit, mit der Bosenius und Gruppe arbeiten, die jedes Werk des Labels "Titania Medien" zu einem einzigartigen Hörerlebnis macht.

Zu den Sprechern:
Selten hat man den Meisterdetektiv so verzweifelt erlebt wie hier. Joachim Tennstedt(Sherlock Holmes) alterniert zwischen niedergeschlagenem Stöhnen und kaum kontrollierbarer Wut gegenüber seinem Antagonisten, bevor ihn Watson auf die rettende Idee bringt. Die daraus resultierende, geradezu leidenschaftliche Lobeshymne auf seinen Freund und Chronisten, erstaunt nicht nur den Hörer, sondern auch den Doktor. Detlef Bierstedt(Dr. John H. Watson), der auch das Intro spricht und als Erzähler fungiert, reagiert erst besorgt und dann entsetzt auf die Hilflosigkeit bzw. die damit einhergehende Rage des Detektivs. Obwohl ich schon viele Sprecher in der Rolle des Dr. Watson gehört habe, ist und bleibt Bierstedt für mich unerreicht, wenn es um die Darstellung von Verblüffung in Form von verdattertem Stottern geht. Sprecherisches Highlight ist für mich aber diesmal Joachim Kerzel(Richard Mordon) als gefühlskalter, aalglatter und selbstgefälliger Erpresser, dem es Freude bereitet, seine Opfer auch noch zu piesacken. Seine überhebliche, skrupellose Art machen ihn zum Bösewicht par excellence. Eine ebenfall sehr solide Darstellung kommt von Bernd Kreibich(Mr. Benjamin) als würdevoller Butler und devoter Vertrauter Mordons. Seine Art, sich jedes mal zu räuspern, wenn jemand etwas sagt, was ihm nicht gefällt, hat mich mehrfach schmunzeln lassen, und der Zusammenbruch dieser ehrwürdigen Fassade gegen Ende des Hörspiels, ist wirklich großartig gespielt. In diesem Zusammenhang muss man unbedingt auch Lutz Mackensy(Sir Archibald Maitland) in der Rolle des Erpressten anführen. Mackensy rastet hier förmlich aus, und wenn seine anfängliche Knurrigkeit langsam in Wut übergeht, um dann in regelrechter Raserei zu enden, handelt es sich um punktgenaueste Sprecherkunst. Sascha von Zambelly(Junger Spitzel) ist Klasse als unsicherer junger Mann, der seinen Text mal stottert, mal hervorstößt. Das gilt auch für Jean Paul Baeck(Belman), der den Part des misstrauischen, von sich überzeugten Kammerdieners des Earls intoniert. Auf gleicher Höhe ist auch Rolf Bergs(Earl of Bletcheley) Darstellung des distinguierten Adligen, der aufgrund der Ereignisse dann schließlich doch noch die Fassung verliert.

Fazit:
Ein Fall mit offensichtlichem Täter, aber ungewöhnlichem Ende.

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