Rezension: Sherlock Holmes - 46 - Der Mann in Gelb

Sherlock Holmes, Jerry Cotton - Kommissare und Detektive ermitteln Psychopaten im Ohr.
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MonsterAsyl
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Rezension: Sherlock Holmes - 46 - Der Mann in Gelb

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Sherlock Holmes - 46 - Der Mann in Gelb

Zum Inhalt:
Zu seiner großen Überraschung erhält Dr. Watson eines Tages den Brief einer gewissen Marjorie Beaumont, deren Eltern er gut kannte. Zunächst scheint es, als wolle die junge Frau nur einen alten Kontakt auffrischen, doch schnell stellt sich heraus, daß mehr dahinter steckt. Marjories Onkel erhält Drohbriefe, die sich auf ein dunkles Kapitel in seiner Vergangenheit beziehen. Als dann auch noch eine in Gelb gekleidete Person im Haus auftaucht, der es gelingt, unerkannt wieder zu verschwinden, beschließt Marjorie, über Dr. Watson Kontakt zu dem Meisterdetektiv aufzunehmen. Der beginnt auch umgehend mit seinen Ermittlungen, kommt aber schnell an seine Grenzen. Sollte dies etwa der erste Fall werden, den er nicht lösen kann?

Zur Produktion:
Mit dem vorliegenden Hörspiel hat das Label Titania Medien bereits die zehnte und somit vorletzte Geschichte aus dem Band "Ronald Standish" des britischen Autors Herman Cyril McNeile (28.09.1888 - 14.08.1937), vertont. Jetzt fehlt nur noch "The empty House". Aber keine Sorge, es gibt noch eine weitere Sammlung von Ronald Standishs Kurzgeschichten, welche 1936 unter dem Titel "Ask Ronald Standish" erschien. Für Nachschub ist also gesorgt.
Doch zurück zur aktuellen Folge, die McNeile mit "The Man in yellow" betitelte. Skriptautor Marc Gruppe hat nicht nur die Werkbezeichnung wortwörtlich übersetzt, sondern ist auch ansonsten erneut dicht an der Vorlage geblieben. Da die Handlung eigentlich in den 1930er Jahren spielt, musste Gruppe mal wieder diverse Kleinigkeiten abändern bzw. ganz unter den Tisch fallen lassen, um daraus eine Sherlock Holmes-Geschichte machen zu können. So wurde beispielsweise aus dem "Chauffeur" ein "Kutscher", und Watson ruft hier Holmes auch nicht an. Stattdessen fahren alle gemeinsam in die Baker Street, um den Meisterdetektiv zu informieren. Darüber hinaus wurde die "Epidemie" von Gruppe zur "Grippe" konkretisiert, und aus dem Gasthaus "Six Hundred" wurde das "Eight Bells". Interessanterweise hat der Skriptautor aber auch noch ein paar andere Dinge umgeschrieben. Während in der Vorlage Watson beim Betreten des Lokals Marjorie und ihre Begleitung entdeckt, ist es hier die junge Frau, die den Doktor ausmacht und an ihren Tisch bittet. Ich finde das auch wesentlich logischer, da Watson Marjorie zuletzt als kleines Mädchen gesehen hat, das sich im Laufe der Jahre wohl weit mehr verändert haben dürfte als er. Warum Marjorie einen Verlobungsring trägt, den sie in der ursprünglichen Geschichte nicht hat, erschließt sich mir allerdings nicht wirklich. Die Szene mit dem Kartentrick ist ebenfalls ein wenig umgearbeitet und damit obendrein verbessert worden. Im Original hat Standish/Holmes am Schluß vier einzelne Karten mit Fingerabdrücken, während im Hörspiel lediglich der Kartenkarton mit selbigen versehen ist. Das erscheint mir auch weitaus nachvollziehbarer, was die Möglichkeiten einer Auswertung angeht. Witzigerweise nutzt Gruppe die Szene, um auf eine vorangegangene Folge "Der Tote im Extra Waggon" (Sherlock Holmes #42) anzuspielen, eine Reminiszenz, die sicher viele Fans zu schätzen wissen. Amüsiert hat mich auch, daß Gruppe hier erneut den Louis de Funes-Spruch mit "Nein, doch, ahh!", diesmal mit "Nein, doch, ach!" gekonnt abgewandelt hat. Ansonsten wurde die Sprache ein wenig modernisiert (aus dem "old fish" wurde "alter Mann, aus "quite-nicely-thank you" wurde das wesentlich zeitgemäßere "einen im Kahn haben") und die Handlung mit einzelnen kleineren Dialogen ergänzt. Dazu zählt auch das Ende der Geschichte, bei dem Holmes den Fall ein bisschen vertuscht. Ausserdem erfährt der Hörer hier noch etwas mehr über das weitere Schicksal der Beteiligten. Die Aspekte, die der Skriptautor ganz hat fallen lassen, sind nicht der Erwähnung wert, da sie den Ablauf in keiner Weise beeinträchtigen. Besonders gut gefallen hat mir, daß man sich die Mühe gemacht hat, die Rückblicke bzw. Berichte in Form von gespielten Szenen zu präsentieren, statt sie einfach nur zu erzählen. Alles in allem haben die genannten Umgestaltungen dazu geführt, daß hier eine extrem spannende und Doyle wahrhaft würdige Sherlock Holmes-Geschichte entstanden ist, die einen so fesselt, daß man die Laufzeit von ca. 68 Minuten kaum glauben mag.
Bei Produktion und Regie haben Stephan Bosenius und Marc Gruppe erneut die von ihnen bereits gewohnte Sorgfalt walten lassen. In jeder einzelnen Szene kommt eine Unmenge an Geräuschen und Tönen zum Einsatz, um das Geschehen für den Hörer lebendiger bzw. glaubwürdiger zu gestalten. In den Wirtshäusern sind die Gäste im Gespräch, Stühle werden beim Verlassen des Platzes gerückt, und selbstverständlich wurde auch die knarrende Eingangstür nicht vergessen. Apropos "knarrende Tür": Daß die Tür zur Bakerstreet ebenfalls knarrt, war mir neu und hat mich auch ein wenig gestört, da ich mir einfach nicht vorstellen kann, daß Mrs. Hudson dies so hinnehmen würde. Aber das ist Meckern auf hohem Niveau,denn vermutlich werden die meisten Hörer darauf eh nicht achten.
Die Detailverliebtheit, mit der die Hörspiele inszeniert werden, zeigt sich aber vor allem in Form der kleinen, eher unbedeutenden Töne, die man bei Titania aber trotzdem nie vergisst. Während Holmes seine Zeitung liest, hört man deutlich das Umblättern der einzelnen Seiten, welches ganz anders klingt als das Rascheln der Briefblätter, und wenn jemand aus einem Glas trinkt, hört man auch das Abstellen des selbigen.
Ebenso penibel wie bei den Geräuschen, wird auch an der musikalischen Untermalung gearbeitet. Neben der Ttitelmelodie mit dem hohen Wiedererkennungsfaktor, werden immer wieder auflockernde, zum Teil heiter anmutende Weisen eingespielt, um entweder Szenen zu unterstreichen oder einen harmonischen Übergang zur nächsten Sequenz zu erreichen. Ausgesprochen gut gefallen hat mir die Melodie, in der Motive aus dem Titelthema zu hören sind. Zwar ist der überwiegende Teil der Musik mit zeitgemäßen Instrumenten wie Geige, Klavier, Flöte und Glöckchen intoniert worden, aber für die dramatischen Akzente kommt der Synthesizer zum Einsatz. Die düster wabernden, manchmal geradezu treibenden Sounds, werden mit derartiger Wucht eingespielt, das die Boxen der Anlage zu zittern beginnen und damit die Bedrohung fast physisch greifbar wird. Nun könnte man meinen, der Hörer werde auf diese Weise aus dem Geschehen gerissen, aber das war, zumindest bei mir, nicht der Fall.
Der Einsatz der Effekte ist dezent und beschränkt sich auf die leisere Einspielung der rufenden Marjorie, um deren Entfernung zum Hörer zu verdeutlichen, und den leichten Hall, mit dem die Stimmen in der Vorhalle des Anwesens der Beaumonts unterlegt worden sind, um deren Größe akustisch darzustellen.

Zu den Sprechern:
Joachim Tennstedt(Sherlock Holmes) überzeugt als stets wissbegieriger, leicht ungeduldiger Meisterdetektiv, den der Fall von seiner Langeweile befreit und der sich dazu herablässt, Watson zu loben, nur um das im nächsten Satz sofort wieder zu negieren. Normalerweise tritt Holmes ja immer überlegen und absolut selbstischer auf. Umso mehr Spaß macht es, Tennstedt diesmal dabei zuzuhören, wie er erst zunehmend irritiert und bis kurz vor Schluß sogar ratlos ist, um wen es sich bei dem Täter handeln könnte. Mindestens genauso glaubwürdig agiert Detlef Bierstedt(Dr. Watson), der, wie jedesmal, auch das Intro spricht und den Chronisten des Meisterdetektivs in unnachahmlicher Weise zum Besten gibt. Er spielt den häufig ahnungslosen Beobachter, der immer wieder von Holmes' Deduktionen überrascht wird und deshalb seinen Freund und dessen Fähigkeiten nur noch mehr bewundert, derart natürlich, daß man als Hörer meint, hier bestehe eine reale Freundschaft. Höhepunkt seiner Darbeitung ist für mich sein ausdrucksstark gerufenes "Hä?", das mich köstlich amüsiert hat. Der Kontrast zwischen dem kühlen Analytiker Holmes und dem überaus menschlich agierenden Doktor gehört auf jeden Fall zu den Stärken des Hörspiels. Die wohlklingende Stimme von Maximiliane Häcke(Marjorie Beaumont) passt perfekt zu ihrer gelungenen Darstellung des 16-17 jährigen lebenslustigen Mädchens, das vergeblich versucht, seinen Onkel zu beruhigen. Ihm zur Seite steht Jan Makino(Jack "Bungo" Ayrton) in der Rolle des fast gleichaltrigen, sympathisch wirkenden Verlobten, der auf Grund der Umstände wenig für seine zukünftige Braut tun kann. Am beeindruckensten finde ich in diesem Hörspiel aber Manfred Liptow(Henry Beaumont) als Marjories strenger Onkel. Die Art und Weise, wie er sich immer mehr echauffiert, sein beunruhigend authentisch gespielter Herzanfall und seine sarkastische Art, ergeben zusammen ein überaus ausdrucksvolles Bild dieser Figur. In weiteren Rollen treten noch Kathryn McMenemy(Zofe Janet) als Marjories überraschtes, hilfsbereites Dienstmädchen und Marc Gruppe(Wirt) als kernig klingender, aber freundlich agierender Kneipier auf.

Fazit:
Für mich eine der gelungensten Folgen der Reihe.

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