Rezension: Die weisse Lilie - Staffel 4 - Dunkle Erkenntnis

Sherlock Holmes, Jerry Cotton - Kommissare und Detektive ermitteln Psychopaten im Ohr.
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MonsterAsyl
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Rezension: Die weisse Lilie - Staffel 4 - Dunkle Erkenntnis

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Die weisse Lilie - Staffel 4 - Dunkle Erkenntnis

Zum Inhalt:
Nach einem Besuch bei dem undurchsichtigen Sean Mitchell, gelingt es Daniel Porter und seinem Freund Jerry Finnegan, weitere Spuren zum Geheimbund der "Weissen Lilie" zu finden. Aber auch Samira Barzani und Carol Nolasco sind nicht untätig. Mit Hilfe von Samiras Bruder Eraydin, einem Journalisten, der für die "Hürriyet" arbeitet, wollen sie die Teile des USB-Sticks, die sie entschlüsseln konnten, an die Öffentlichkeit bringen. Gleichzeitig wird der Druck auf die Bostoner Detectives Henry Miles und Samuel Haden erhöht. Dabei muss Miles feststellen, daß er längst nicht alles über seinen Partner weiß. Die "Weisse Lilie" sieht ihren Plan in Gefahr und erklärt die sechs kurzerhand zu Terroristen. Eine erbarmungslose Jagd beginnt...

Zur Produktion:
Nachdem es seit fast zwei Jahren keine neuen Teile gegeben hat, überraschte das Label Folgenreich die Fans Anfang des Jahres dann doch mit der Fortsetzung der Reihe. Wie gewohnt erschienen die einzelnen Kapitel zunächst als Download, und zeitgleich mit der Veröffentlichung von Kapitel 3 liegt nun auch die CD-Box mit allen drei Folgen der vierten Staffel vor. Um beurteilen zu können, ob man problemlos wieder einsteigen bzw. diese Staffel auch unabhängig von irgendwelchen Vorkenntnissen hören kann, habe ich bewusst darauf verzichtet, mir die ersten drei Boxen vorher noch einmal anzuhören. Ich weiß nicht, ob es damit zu tun hatte, daß mich die ersten Staffeln so beeindruckt haben und sie deshalb, zumindest unterbewusst, noch in meinem Gedächtnis abgespeichert waren, oder ob es an der Zusammenfassung "Was bisher geschah" lag, welche jedem Kapitel vorangestellt ist, aber zumindest ich konnte mich mühelos wieder in die Handlung einfinden. Dazu muss ich aber anmerken, daß die jeweiligen Resümees nicht so aufgebaut sind, wie man es von anderen Hörspielen gewohnt ist. Statt einen Erzähler einzusetzen, der nochmals die Ereignisse aus der vorangegangenen Folge schildert, werden hier einzelne Szenen bzw. Sätze eingespielt, die für das Geschehen wichtig waren. Bereits diese Eröffnungen fordern ein gewisses Mitdenken seitens des Hörers, und die Art und Weise, wie die beiden Regisseure Benjamin Oechsle und Timo Kinzel das Hörspiel inszeniert haben, schließt aus, daß man es nur mal so nebenbei laufenlassen kann.
Häufig gibt es ja einen Erzähler, der die jeweilige Szene beschreibt, so das der Hörer genau weiß, was gerade passiert. Das ist hier anders. Zwar hat man auch einen Erzähler, doch dieser wird nur spärlich eingesetzt, und man muss oft selbst dahinterkommen, was gerade passiert. Um es dem Hörer ein wenig leichter zu machen, werden etliche Sätze, die innerhalb eines Kapitels nur schwer oder sogar fast gar nicht zu verstehen sind, in den Zusammenfassungen wiederholt, dann aber klar verständlich. Allein aus diesem Grund sollte man es unterlassen, direkt mit dem zweiten Track einzusteigen. Für viele dürfte es zudem irritierend sein, daß es immer wieder vorkommt, daß Ereignisse schon stattgefunden haben und die entsprechenden Szenen erst im Anschluß präsentiert werden. Das ist relativ ungewöhnlich, aber wer sich darauf einläßt, wird mit einem Hörspiel belohnt, das seinesgleichen sucht.
Obwohl die Handlung sehr komplex ist und es gilt, viele Figuren im Kopf zu behalten, ist der Inhalt so spannend, daß es fast unmöglich ist, nach einer CD aufzuhören und den Rest auf später zu verschieben. Dementsprechend habe ich auch direkt alle Folgen hintereinander weg gehört.
Apropos Handlung: die Geschichte wirkt stets ultra realistisch, was auch daran liegt, daß man hier aktuelle Ereignisse bzw. Fakten einfließen lässt.
So spielt unter anderem das bekannte Nervengift "Nowitschok" eine wichtige Rolle.
Was mir besonders gut gefällt, ist die Tatsache, daß Figuren nur durch ihr Verhalten bzw. ihre Taten charakterisiert und nicht einfach plump von einem Erzähler beschrieben werden. Da die Geschichte in vielen verschiedenen Ländern spielt und etliche Sprecher auch Sätze in der jeweiligen Landessprache sprechen, ist es umso wichtiger, daß dies nicht aufgesetzt oder gar unnatürlich klingt. Erfreulicherweise sind die betreffenden Sprecher aber so gut, daß man schon fast den Eindruck bekommt, es handele sich dabei um Muttersprachler.
Für das Verständnis ist es überaus hilfreich, daß zwischen einzelnen Szenen immer wieder mal längere Musikstücke eingespielt werden, so daß man als Hörer auch Zeit bekommt, das gerade Geschehene zu verarbeiten bzw. zu analysieren.
Neben der raffiniert erzählten Geschichte, ist es die Produktion von Benjamin Oechsle, die das Hörspiel zu einem echten Highlight werden lässt.
Zur musikalischen Untermalung setzt er unter anderem Klavier, Geige, diverse Blasinstrumente, Synthesizer und Trommeln ein. Für das jeweilige Lokalkolorit greift er auch auf landestypische Musikstücke oder Instrumente, wie beispielsweise die Balalaika oder türkisch klingende Musik zurück.
Neben der eindringlichen, getragen wirkenden Titelmelodie, bei der das Klavier dominiert, gibt es viele weitere Stücke, die mal langsam und traurig, dann wieder schnell und schon fast "peitschend" wirken. Besonders gut gefallen haben mir die pulsierenden Synthsizersounds und der teilweise extreme Bass, der die Boxen meiner Anlage erzittern ließ. Ebenfalls sehr gelungen finde ich auch die dezente Einspielung der amerikanischen Nationalhymne, was die Handlung quasi auf den "Home Turf" zurückholt.
Wie schon bei den vorherigen Staffeln, ist es aber die unglaublich dichte Geräuschkulisse, welche nicht nur für die notwendige Atmosphäre sorgt, sondern darüber hinaus auch noch zum Verständnis der Handlung beiträgt. Kein Ton klingt in irgendeiner Form künstlich, und jeder Sound hilft dabei, die Geschichte noch realistischer zu gestalten. Angefangen vom Geräusch des Spulens von Audio- oder Videobändern über das typische Skypeklingeln oder das Tippen auf einer PC-Tastatur, bis hin zu den amerikanischen Polizeisirenen, wurde jeder Laut akribisch genau in den Ablauf eingebettet. Es sind aber einmal mehr die kleinen, schon nahezu nebensächlich wirkenden Töne, die das Hörspiel aus der Masse vergleichbarer Produktionen hervorstechen lassen. Da werden Lichtschalter betätigt, eine Pistole oder auch mal eine MP durchgeladen, im Hintergrund läuft ein Fernseher, oder ein weit entfernter Muezzin ruft zum Gebet.
Mein persönliches Highlight sind aber die immer unterschiedlichen Schrittgeräusche, bei denen man genau hören kann, auf welchem Untergrund (Straße geteert oder ungeteert, innerhalb einer Wohnung, im Schnee) die Figuren gerade laufen.
Die mannigfaltigen Effekte und der oftmals damit verbundene akustische Perspektivenwechsel tun ein übriges, um dem Hörer das Gefühl zu geben, er sei quasi als unsichtbarer Zuhörer jederzeit dabei. So sind beispielsweise Sätze, die ein Gefangener aus der Nachbarzelle hört, dumpf gehalten, weiter entfernte Figuren werden auch leiser eingespielt, und in großen Gebäuden, wie in der stillgelegten Fabrikhalle, sind sämtliche Sätze mit Hall versehen.
Geradezu spektakulär finde ich eine eher unscheinbare Szene, in der sich zwei Figuren in einem Auto unterhalten. Allein durch das Ausfiltern aller Nebengeräusche entsteht der akustische Eindruck, man befinde sich tatsächlich in einem Fahrzeug. Mindestens ebenso beeindruckend fällt aber auch die Sequenz aus, in der jemand die in seiner Umgebung gesprochenen Sätze immer lauter hört, je mehr er wieder ins Leben zurückkehrt.

Zu den Sprechern:
Obgleich nicht sämtliche Sprecherinnen und Sprecher in jeder Folge auftauchen, führe ich sie der Übersichtlichkeit halber hintereinander weg auf. Anmerken möchte ich zuvor noch, daß wirklich der gesamte Cast so gut ist, daß keiner besonders hervorsticht und alle wunderbar zu ihren Rollen passen.
Mark Bremer(Erzähler) wird hauptsächlich eingesetzt, um die Handlungsorte und ab und zu auch das Setting einer Szene zu beschreiben. Sein neutral gehaltener Vortrag, in Verbindung mit den ausgezeichnet gesetzten Pausen, sorgen dafür, daß man ihn nicht mit einer der Hörspielfiguren verwechseln kann. Martin Sabel(Daniel Porter) und Tim Knauer(Jerry Finnegan) sind ein tolles Gespann, dem man auf Grund seiner überzeugenden Darstellung die Freundschaft sofort abnimmt. Sabel ist der entschlossene Hitzkopf, der glaubt, alles aufklären zu können, während sich Knauer, in seiner Rolle als Freund und Analyst bei der CIA, eher bodenständig verhält und so manches Mal dafür sorgt, daß die beiden gerade noch aus einer brenzligen Situation entkommen.
Die etwas heiser klingende Stimme von Stephan Benson(Henry Miles) erinnert mich jedesmal unwillkürlich an den großartigen Konrad Halver, und genau wie dieser ist er eine perfekte Besetzung für den harten Detective, in Bensons Fall aus Boston. Es gelingt ihm, ein überaus glaubwürdiges Bild des etwas heruntergekommenen Polizeibeamten zu liefern, der seinen Frust gern mit Alkohol betäubt. Gleiches gilt für Timo Kinzel(Samuel Haden), der eine sehr viel sanftmütigere Natur hat und den die Ereignisse dementsprechend noch schwerer mitnehmen als seinen Partner. Statt zum Alkohol zu greifen, versucht er jedoch, seine Erlebnisse innerlich aufzuarbeiten. Wirklich fies kommt Sascha Rotermund(Lamar Johnson) als skrupelloser, über Leichen gehender Homeland Security Agent daher. Seine Darbietung ist so gelungen, daß man instinktiv eine Abneigung gegenüber seiner Figur aufbaut. Während André Beyer(Michael Howard) hier nur noch einmal einen Kurzauftritt als ausgebuffter Casinochef hat, taucht Holger Mahlich(Frank Monroe) als Bostoner Polizeichef, und damit Vorgesetzter von Miles und Haden, immer wieder mal auf. Trotz der schwerwiegenden Anschuldigungen gegenüber seinen Beamten, versucht er, sachlich zu bleiben und stets solidarisch zu ihnen zu stehen. Beinahe ebenso unsympathisch wie Lamar Johnson, ist auch der Charakter den Achim Buch(Sean Mitchell) portraitiert.
Buch spielt den aalglatten, abgebrühten Mann mit politischen Ambitionen ebenso glaubwürdig, wie Ulrike Johannson(Iris Fairchild) ihre Figur der einerseits eiskalten, aber andererseits von Selbstzweifeln zerfressenen Komplizin. Seite an Seite stehen auch Céline Fontanges(Samira Barzani) als ehemalige Pressereferentin Howards, die zu jedem Opfer bereit ist, damit die Wahrheit ans Licht kommt, und Sonja Szylowicki(Carol Nolasco) als Sicherheitsexpertin, der immer klarer wird, in welch übler Lage sie sich befindet. Tilman Borck(Greg Huxley) ist der abweisende, misstrauische Patient, der weiß, wo sich der Schlüssel zur Dechiffrierung des USB-Sticks befindet, und Norman Matt(Marcus Calmond) agiert als besorgter Freund von Carol. Susanne Sternberg(Molly Anderson & Nachrichtensprecherin) ist in beiden Rollen klasse, egal ob sie ihre Stimme gerade der neugierigen Hauptstadtkorrespondentin oder der neutral sprechenden TV-Moderatorin zur Verfügung stellt. Marc Schülert(Terrance Lloyd / Alexej) als Chauffeur und weiterer Untergebener von Goran, sowie Tetje Mierendorf(Steve / Sergeant Walters) als Seans Busenfreund und kurz angebundener Soldat, haben bedauerlicherweise nur sehr kurze Auftritte, die beide aber souverän absolvieren. Da Daniel Welbat(Notruf & Agent / Michail) im Notruf nur als Telephonstimme zu hören ist, fällt es auch überhaupt nicht auf, daß er später noch einmal als professioneller Geheimdienstmitarbeiter und als russisch sprechender Untergebener von Goran in Erscheinung tritt. Aus den gleichen Gründen gilt das auch für Benjamin Oechsle(Soldaten), der mal über Funk und dann mit eigener Stimme als brutale Kämpfer einen Part übernimmt.
Ähnlich sympathisch wie seine "Schwester" Samira wirkt auch Tammo Kaulbarsch(Eraydin Barzani) als in der Türkei tätiger Journalist, den nicht nur die Hilfsbereitschaft, sondern auch seine Schwäche für Carol zum Handeln veranlasst. Wirklich viel Spaß macht auch die Darbietung von Dirk Hardegen(Goran Rakočevič) als ehemalige rechte Hand und inzwischen guter Freund Mitchells, der sich auf Grund der Umstände jedoch gegen diesen auflehnt.
Auch die Doppelbesetzung von Simona Pahl (Krankenschwester / Erin) als besorgte Pflegekraft und fatalistische Bekannte von Samuel, fällt wegen des zeitlichen Abstands zwischen beiden Rollen, nicht weiter auf. Holger Löwenberg(Andrews) ist genauso kurz als zustimmender Agent zu hören, wie Benjamin Oechsle(Wärter & Erdem / Grenzer) als gefühlskalter Aufseher, abgebrühter Fälscher und roher Wachposten. Ihn unterstützen Daniel Welbat(Grenzer) und Wolfgang Riehm(Grenzer / Wärter) als ebenso grobschlächtige Kollegen. Johannes Semm(Victor & Beamter) spielt den freundlichen Kontaktmann von Daniel und Jerry genauso ausgezeichnet, wie den nur sehr knapp antwortenden Staatsdiener. Kai Henrik Möller(General Jim Pearson) intoniert den Befehlshaber nüchtern und sachlich, wohingegen Tina Eschmann(Mrs Barzani) als Mutter von Samira und Eraydin herzlich und liebevoll auftritt. Uve Teschner(Mann im Ausschuss) ist derjenige, welcher um Ruhe bittet, und Benjamin Oechsle(Soldat) und Daniel Welbat(Soldat) treten noch einmal als rufende und schießende Armeeangehörige in Erscheinung.

Fazit:
Furiose, ca. 3 3/4 Stunden lange Fortführung des außergewöhnlichen Thrillers, die das Warten auf die fünfte und wahrscheinlich letzte Staffel noch schwerer macht.

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