Rezension: Der Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete

Von Pettersson und Findus bis hin zu den Drei Fragezeichen - Hier wird das kindliche Ohr gefüttert
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MonsterAsyl
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Rezension: Der Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete

Beitrag von MonsterAsyl »

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Der Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete

Zum Inhalt:
Gerade hatten Kasperl und Seppel den berüchtigten Räuber Hotzenplotz gefangen und im alten Spritzenhaus festgesetzt, da konnte der Spitzbube auch schon wieder entkommen. Oberwachtmeister Alois Dimpfelmoser war daran nicht ganz unschuldig, denn er hatte schlicht vergessen, den Riegel vorzuschieben.
Weil sich die Großmutter deswegen sehr aufregt und völlig aus dem Häuschen ist, beschließen Kasperl und Seppel, den gefährlichsten Räuber im ganzen Lankreis ein weiteres Mal dingfest zu machen. Aber wie? Da kommt Kasperl im Traum eine gute Idee...

Zur Produktion:
Um das Phänomen "Räuber Hotzenplotz" richtig einordnen zu können, muss ich weiter ausholen. Als ich ein kleiner Junge war, gab es keine Computer, kein Internet, und den ersten Fernseher bekamen wir erst in den frühen 1970er Jahren. Dementsprechend sind wir ganz anders aufgewachsen, und ein wichtiger Bestandteil unserer Kindheit war das Kasperle-Theater. Zu jener Zeit hatte eigentlich so gut wie jedes Kind ein "Theater" (entweder ein gekauftes oder ein aus Pappkarton selbstgebasteltes), das lediglich aus einer Front mit rechteckigem Ausschnitt bestand, hinter der die Puppenspieler agierten. Meist haben wir Kinder uns gegenseitig irgendwelche Geschichten ausgedacht und Geschwistern oder Freunden vorgespielt, und es gab natürlich auch Eltern oder Großeltern, die Spaß daran hatten, ihrem kleinen Publikum ein Stück vorzuführen.
Der weltberühmte Kinderbuchautor Ottfried Preußler (20.10.1923 - 18.02.2013), der geistige Vater so legendärer Figuren wie "Der kleine Wassermann", "Die kleine Hexe" und natürlich "Krabat", war ein großer Freund und Förderer des Puppenspiels. Während seiner Arbeit an "Krabat" beschloss er, zur Abwechslung eine "Kasperle"-Geschichte zu schreiben, welche erstmals 1962 unter dem Titel "Der Räuber Hotzenplotz" veröffentlicht wurde. Aufgrund des unerwartet großen Erfolges, der zum Teil auf die Adaption durch die Augsburger Puppenkiste im Jahr 1967 zurückzuführen war, und der vielen Zuschriften von großen und kleinen Fans, schrieb Preußler die Fortsetzung "Neues vom Räuber Hotzenplotz", die 1969 auf den Markt kam. Im selben Jahr gab der Autor selbst das Buch "Puppenspiele 9" heraus, welches die hier zugrundeliegende Geschichte unter dem Titel "Vater Mond darf nicht krank sein" enthielt. Des Weiteren gab es im gleichen Jahr noch eine Veröffentlichung in dem Werk "Das große Reader's Digest Jugendbuch 10", diesmal mit der Überschrift "Die Fahrt zum Mond - Ein Kasperlspiel von Ottfried Preußler". Im dritten und letzten Band, "Hotzenplotz 3" aus dem Jahr 1973, schloß Preußler dann alle noch offenen Handlungsstränge ab.
Nach der Veröffentlichung der Hörspieladaptionen geriet der Räuber, übrigens benannt nach einer Stadt bzw. einem Fluß in Schlesien, etwas in Vergessenheit. Da war es schon eine kleine Sensation, als die Tochter von Ottfried Preußler, Susanne Preußler-Bitsch, im Jahr 2017 ankündigte, eine bis dato unveröffentlichte "Hotzenplotz"-Geschichte im Nachlass ihres Vaters gefunden und nun zur Vorlesegeschichte ergänzt zu haben. Von daher entsprach die Verlagsankündigung insofern der Wahrheit, als daß es diese "erweiterte" Version tatsächlich vorher noch nicht gab. Für mich, und ich denke auch für die Mehrzahl der Hörer, ist das jedoch unerheblich, denn die wenigsten dürften die alten Publikationen aus dem Jahr 1969 kennen.
Da ich das Buch nicht besitze, kann ich keinen Vergleich zur literarischen Vorlage anstellen, aber 60 Seiten lassen sich eigentlich problemlos in 50 Minuten Hörspiel unterbringen. Deshalb gehe ich nicht davon aus, daß es hier zu größeren Kürzungen gekommen ist.
Im Gegensatz zu Preußlers Geschichten, bei denen es immer diverse lustig-spannende Verwicklungen gab und die Handlung aufregende, manchmal sogar recht gefährliche Haken schlug, bleibt diese absolut gradlinig. Für kleine Kinder möglicherweise ein Vorteil, weil sie dem Ablauf besser folgen können, aber mir fehlt einfach ein wenig der "anarchische" Erzählstil der alten Abenteuer.
Kenner von Preußlers Werk werden sich vielleicht wundern, daß hier auch der Zauberer "Petrosilius Zwackelmann" einen Auftritt hat, obwohl er bereits im ersten Buch das Zeitliche segnete. Dazu hat sich Susanne Preußler-Bitsch etwas einfallen lassen und ihn kurzerhand als Traumfigur integriert. Was wäre eine Kasperlgeschichte aber auch ohne den bösen Zauberer?
Besonders erfreut bin ich darüber, daß man die bayrischen Begriffe wie beispielsweise "Schwammerl" für "Pilze" beibehalten hat, denn auch dieses "Lokalkolorit" gehört für mich unbedingt zur "Räuber Hotzenplotz"-Welt dazu.
Trotz ihrer inhaltlichen Schlichtheit, hat mir die Erzählung viel Spaß bereitet und mich bis zum Schluß gut unterhalten. Übrigens, wer jetzt Lust bekommen hat, noch einmal alle Geschichten des Räubers hintereinander wegzuhören (die 3 Bücher sind in Form von 6 Hörspielen vertont worden und ebenfalls bei Karussell in einer preisgünstigen Box erschienen), sollte das Abenteuer mit der Monrakete nach der zweiten Disc (dem Abschluß des ersten Buches) einlegen.
Die Erstausstrahlung dieser Hörspielproduktion des WDR ist erst wenige Monate her, und genauso aktuell ist natürlich auch die Inszenierung ausgefallen. Gertrudt Glosemeyer und Steffen Jahn, die Verantwortlichen für die technische Realisation, setzen den Haupthandlungsort "der dunkle Wald" mit reichhaltigem Vogelgezwitscher, Insektensummen und einem leise durch die Büsche streifenden Wind in Szene, und nachts ruft einsam das Käuzchen. Besonders gut gefallen hat mir die Sequenz, in der Kasperl und Seppel mit Klebeband hantieren und sich Letzterer immer mehr darin verheddert. Ein wichtiges Stilelement der "Räuber Hotzenplotz"-Hörspiele ist die musikalische Untermalung. Dem trägt das HammerTwintett (Thomas Hammer, Bernhard und Roland Vanecek) auch Rechnung, und ihre Stücke, die passend zum "bayrischen Lokalkolorit" hauptsächlich mit Blasinstrumenten wie der Tuba eingespielt werden, klingen, trotz des fröhlichen Grundtons, immer auch ein wenig "schräg". Die ruhige Ausgangsmusik hingegen erinnert mich vom Stil her etwas an Martin Böttcher und dessen Melodien für die berühmten Karl May-Verfilmungen. Da es zu den kurzen Liedern von Kasperl und Seppl keine separaten Angaben im Booklet gibt, sind diese vermutlich ebenfalls dem HammerTwintett zuzuschreiben.

Zu den Sprechern:
Schon vorab, im "Printmagazin" des WDR, zeigten sich alle Sprecher begeistert von der Aussicht, ihre Stimmen den unsterblichen Figuren von Ottfried Preußler zu leihen. Diese Vorfreude hat sich gehalten, und wirklich alle Akteure sind mit viel Enthusiasmus dabei. Das beginnt schon mit Udo Wachtveitl(Erzähler), der seinen Text nicht nur punktgenau betont, sondern darüber hinaus auch viel Gefühl in seine Stimme legt. Max von der Groeben(Kasperl) und Daniel Rothaug(Seppel) sind natürlich die beiden Hauptdarsteller und können in ihren Rollen vollauf überzeugen. Von der Groeben als der clevere und ideenreiche Kasperl, dessen Zuversicht keine Grenzen kennt und Rothaug als sein etwas einfach gestrickter, total verfressener Freund, sind ein herrliches Gespann. Trotz ihres physischen Alters meint man, zwei ausgelassenen Jungen zuzuhören. Sprecherisches Highlight ist für mich aber ganz klar Waldemar Kobus(Räuber Hotzenplotz), dessen brummige Stimme hervorragend zu der Rolle des nicht gerade intelligenten Spitzbuben passt. Es macht einfach Spaß, ihm dabei zuzuhören, wie er ständig vor sich hinmault und dabei "finstere" Pläne schmiedet. Passend zum Handlungsende des ersten Buches, treten Sigrid Burkholder(Fee Amaryllis + An- und Absage) als gute Fee und Freundin von Kasperl und Seppel und Alexander Hauff(Zwackelmann) als böser Zauberer, der sich einmal mehr mit dem Räuber Hotzenplotz verbünden möchte, hier nur kurz als "Traumfiguren" auf. Seltsamerweise bleibt die Sprecherin der Wahrsagerin (Witwe Schlotterbeck) unerwähnt, obwohl deren Auftritt auch nicht länger oder kürzer ausfällt, als bei den beiden zuvor genannten "Traumfiguren". Traute Hoess(Großmutter) ist großartig als Oma, die sich um ihre und die Sicherheit der Kinder sorgt und dabei von einer Ohnmacht in die nächste fällt. Unbedingt erwähnen muss ich noch Felix Vörtler(Dimpfelmoser), der den überheblichen Oberwachtmeister mit sich teilweise überschlagender Stimme spricht. Durch seine aufgeregte, hektische Art, sorgt er so manches Mal für zusätzliche Erheiterung.

Fazit:
Willkommene Ergänzung der Geschichten um den Räuber Hotzenplotz.

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